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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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hastete zu meinen Bootsleuten und konnte über die Themse setzen, just bevor sie das Haus erreicht hatten. Sie erhoben ein lautes Geheul und warfen mir Steine nach, und sie kreischten und verfluchten mich!« Sie erschauerte. »Alle verfluchen mich. So viele Flüche – wie kann ich hoffen, ihnen allen zu entrinnen?«
    »Warum hast du mir nichts davon erzählt?«
    »Weil … ich wollte Eure Sorgen nicht noch vermehren. Und weil ich, so wunderlich es erscheint, nicht glauben konnte, dass es wirklich geschehen ist, bis ich Euch davon erzählt habe. Jetzt erst ist es Wirklichkeit.«
    »Eine Horde verrückter Weiber, nichts weiter. Ein Königreich ist voll davon. Bedenke, von zehn Menschen ist einer wahrscheinlich halb verrückt, und in England gibt es mehr als drei Millionen. Das ergibt eine Menge Verrückte. Es hat nichts zu bedeuten«, beruhigte ich uns beide. »Es hat nichts zu bedeuten.«

XLIV
    A ber natürlich bedeutete es doch etwas. Es stimmte, was sie da sagte. Das Volk liebte sie nicht. Zum Teil lag es daran, dass sie gegen Katharina noch immer so loyal waren, zum Teil auch, weil es ihnen missfiel, dass der König sich mit einer Untertanin vermählen wollte. Mein Großvater, Edward IV ., hatte es getan und damit mancherlei Unwillen erregt, und dabei hatte er nicht einmal eine andere Gemahlin verstoßen, um es zu tun. Aber meine Liebe und meine Entschlossenheit waren so groß, dass ich mich davon nicht abschrecken ließ.
    Unterdessen wurde die ménage à trois von Tag zu Tag unerträglicher. Auf Jagdausflügen und Staatsreisen musste ich mich von Katharina begleiten lassen, und Anne musste zurückbleiben. Aber in York Place – Wolseys ehemaligem Londoner Palast – lebten Anne und ich ohne Katharina, denn da es sich um eine klerikale Residenz handelte, gab es hier keine Königinnengemächer. Hier konnten Anne und ich so tun, als wäre sie mein Weib und meine Königin, und sie konnte an meiner Seite bei Banketten und höfischen Veranstaltungen den Vorsitz führen. Aber am nächsten Tag wäre es damit wieder vorbei. Irgendein Diplomatenempfang machte es immer wieder notwendig, dass ich nach Westminster und zur schwerfälligen Katharina zurückkehrte.
    Dieser verdrießliche Zustand erreichte seinen Höhepunkt im Sommer 1531. Vier Jahre waren inzwischen vergangen, seit Wolsey sein »geheimes« Tribunal einberufen hatte, um meinen Fall zu verhandeln, und zwei seit jenem unglückseligen Legatengericht mit Wolsey und Campeggio. Ich hatte soeben meinen vierzigsten Geburtstag begangen, was mich noch melancholischer als sonst stimmte: Mit achtzehn hatte ich mein erstes Kind gezeugt, und nun war ich vierzig und noch immer ohne rechtmäßigen Erben.
    Die Sommermonate sollten in Windsor zugebracht werden. Katharina war anscheinend entschlossen, mir wie ein Hund auf dem Fuße zu folgen. Ging ich allein in den Garten, so war sie hinter mir – eine unförmige schwarze Gestalt im hellen Sonnenschein. Spazierte ich bei einem plötzlichen Gewitter auf der Galerie, während der Regen lanzengleich auf die Malven und Rosenbüsche unter den Fenstern herniederprasselte, so konnte ich sicher sein, dass sie aus irgendeiner Tür treten und wie ein verlorener Schatten hinter mir dreinwandeln würde.
    Aber sie versuchte nicht nur, sich an mich zu hängen wie die klebrige Substanz, welche die Glaser verwenden, um ihre Scheiben in den bleiernen Fassungen zu halten, sondern sie bemühte sich auch, Anne von mir fern zu halten, indem sie sie zwang, stundenlang mit ihr Karten zu spielen. Solange Anne mit den Karten in der Hand bei Katharina sitzen musste, konnte sie nicht mit mir am Fluss oder im Garten spazieren gehen. Die ganze Zeit über bewahrte Katharina sich äußerlich eine honigsüße Freundlichkeit; die ganze Zeit über schrieb sie verräterische Briefe an Papst und Kaiser. Nur ein einziges Mal offenbarte sie Anne ihre wahren Gefühle. Am Ende eines ihrer endlosen Kartenspiele hatte Anne zufällig einen König.
    »Ihr habt Glück, Lady Anne«, sagte Katharina. »Ihr habt einen König in der Hand. Aber Ihr seid nicht wie die anderen. Ihr wollt alles – oder gar nichts.«
    So konnte es nicht weitergehen. Ich ertrug es nicht länger. Der bloße Anblick Katharinas ließ mich zittern vor unterdrückter Wut. Ich wusste, ich musste fort von hier, und der einzige Weg zu entfliehen, lag einfach darin – zu entfliehen.
    Ich trug Anne auf, sie solle sich bereit machen; früh am nächsten Morgen würden wir zu einem Jagdausflug und einer

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