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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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unter vier Augen mit Franz konferierte.
    Wir hatten viel zu besprechen. Hauptsächlich ging es um den Papst und um Karl, grauenvolle Plagen für uns beide. Franz schlug vor, in Frankreich ein päpstliches Konzil über meine Ehe abhalten zu lassen. Er versprach, Seiner Heiligkeit mitzuteilen, dass ich mich jedem Beschluss dieses Konzils fügen würde. Ich selber betrachtete diese Möglichkeit mit Skepsis, aber ich konnte nicht einmal vor mir selbst mit Sicherheit sagen, wie ich empfinden würde, wenn der Papst mir noch zu einem so späten Zeitpunkt die Nichtigkeitserklärung gewähren würde.
    Wir zogen uns nach Calais zurück, wo ich Anne still und niedergeschlagen vorfand. Es war nicht spurlos an ihr vorübergegangen, dass sie sich beinahe in Frankreich aufhielt, wo sie ihre frühe Kindheit verbracht hatte, und doch keinen Fuß in das Land setzen durfte. Ihre Schwester hatte sich in das Bett des französischen Königs gelegt und dort warme Aufnahme gefunden. Anne hatte sich sowohl Franz als auch mir verweigert, und zum Lohn dafür beschimpfte man sie als »glotzäugige Hure« und wollte sie in Frankreich von einer Hure empfangen lassen – vermutlich einer gesellschaftlichen Standesgenossin?
    Als ich in Calais die königlichen Gemächer betrat, sah ich mich einem seltsamen Anblick gegenüber. Anne saß schlafend in einem Sessel. Ihr Kopf war zurückgeneigt, der Mund geöffnet, eine Stellung, die große Leidenschaft verkörperte – nur war sie eben offensichtlich entschlummert. An ihrem Hals funkelten Katharinas Juwelen. Als ich näher kam, sah ich, dass sie sie alle angelegt hatte: Ohrringe, Armbänder, Halsketten. Es war, als habe sie beschlossen, alles zu tragen, um so der Achtung zu trotzen – um gleichsam zu sagen: Ich trage die Juwelen nichtsdestoweniger. Und wenn ich sie auch allein tragen muss.
    Ich stand da und schaute sie an. Arme Anne. Im Schlaf sah sie so jung aus – wie das Mädchen, in das ich mich verliebt hatte. Sie hatte ihre Jugend für mich aufgegeben, hatte öffentliche Verleumdungen ertragen, war zu einer Frau herangewachsen und hatte darauf gewartet, dass ich etwas unternahm. Und nun hatte dieser erniedrigende Ausflug nach Frankreich – der ihr Triumph hatte werden sollen – für sie wiederum in der Schmach geendet. Wie ein halsstarriges Kind hatte sie die Juwelen der ehemaligen Königin angelegt und war dann eingeschlafen.
    Ich trat herzu; sie war über die Maßen schön im Zwielicht der einzelnen großen Kerze, die auf dem nahen Tisch stand. Die tanzende Kerzenflamme flackerte in den Facetten der Edelsteine an ihrem Hals.
    »Anne.« Ich berührte sie. Sie regte sich nicht.
    »Anne.« Diesmal rüttelte ich sie sanft. Langsam öffnete sie die Augen und sah mich an. Sie schien verwirrt zu sein.
    »Oh«, brachte sie schließlich hervor und schaute dann an ihrem Staat hinab. Offensichtlich hatte sie die Absicht gehabt, dies alles zu tragen, solange sie allein wäre, und rechtzeitig abzulegen, ehe ich zurückkäme. Jetzt war sie verlegen.
    »So übst du dich darin, Königin zu sein«, hörte ich mich sagen. »Das schadet nicht.«
    Sie schüttelte den Kopf und bemühte sich, in die Welt zurückzukehren. »Ich – ich bin eingeschlafen …«, murmelte sie.
    »Das sehe ich.« Ich lachte. Sie lachte nicht. Stattdessen zwang sie sich, aufzustehen, und fing an, rhythmisch im Zimmer auf und ab zu gehen, und die ganze Zeit verzwirbelte sie ein Stückchen Spitze zwischen den Fingern. Lange Zeit sprach sie kein Wort. Sie sah aus wie eine Irre. Schließlich unterbrach ich ihr nervöses Hinundhergehen, wie man es wohl bei einer Schlafwandlerin tut.
    »Anne, was ist dir?«, fragte ich so sanft, wie ich es nur vermochte. Aber sie fuhr fort, mich blicklos anzustarren. Ihre Augen waren offen, aber ohne Verstand.
    »Anne«, beharrte ich, »du musst mir sagen, was dich so peinigt.«
    Sie sah mich betrübt an, als wisse sie es wohl, sträube sich aber, es mir zu erzählen. Den gleichen Blick hatte ich in Marias Augen gesehen, wenn sie als Sieben- oder Achtjährige etwas Verbotenes getan hatte.
    »Es … es ist … nur, dass ich traurig bin.« Sie berührte die Juwelen. »Ich fasse sie so gern an. Sie sind königlich. Und wenn ich allein bin, kann ich so tun, als glaubte ich alles, was Ihr mir versprochen habt – dass ich Eure Frau sein werde, dass man mich eines Tages in Frankreich ehren wird und dass der französische König selbst, nicht seine Hure, mich empfangen wird.«
    Sie kam auf mich zu und nahm mein

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