Ich, Heinrich VIII.
nördlich von London gelegen war.
Ich schickte ihr eine Deputation von dreißig Ratsherren, die ihr die folgenden Befehle zu überbringen hatte: Begebt Euch binnen zweier Wochen nach Ampthill; vermindert die Zahl Eurer Haushaltsbediensteten um zwei Drittel; unterlasst es, Euch als Königin darzustellen; erkennt mich an als das Oberste Haupt der Kirche von England.
Wie ich es erwartet hatte, weigerte sie sich, den beiden letzten Befehlen nachzukommen. Sie erklärte, sie werde gern jeden aus ihren Diensten entlassen, der sich weigere, sie als Königin anzuerkennen, aber ihr Gewissen werde es ihr niemals gestatten, sich ihrem »Gemahl« als Oberstem Haupt der Kirche zu unterwerfen.
Oh! Dieses Weib! Dieses störrische, verhasste Weib! Sich an etwas zu klammern, das es nicht gab – wie abstoßend lächerlich!
Und Maria … sie zeigte sich durch und durch als Tochter ihrer Mutter, nicht als meine, was ihr Benehmen gegen mich anging. Sie missachtete mich und war grob, und sie redete beständig von ihrer Mutter und dem Unrecht, das ich ihr angetan hätte, sowie von der Kirche und dem Unrecht, das ich ihr angetan hätte. In Wahrheit wusste ich nicht, was ich mit meiner Tochter anfangen sollte, denn ich liebte sie wirklich, aber ich wusste, dass sie jetzt bedingungslos gegen mich war. Betrübt schickte ich das sechzehnjährige Mädchen mit einem eigenen Haushalt nach Schloss Beaulieu in Essex.
Ich musste den skeptischen Fragen, die im Reiche aufkeimten, rasch ein Ende bereiten. Was würde sie wirksamer zum Verstummen bringen als die Vermählung mit Anne, vollzogen durch Warham, den Erzbischof von Canterbury? Als höchster Prälat des Landes war er für das Volk fast so etwas wie ein Papst. Überdies hatte er mich ja auch mit Katharina »verheiratet«. Wenn er nun meine Hochzeit mit Anne zelebrierte, würde dies deutlicher als irgendetwas anderes besagen, dass die erste Ehe in der Tat nichtig war. Ich würde darauf bestehen, dass er es tat.
Aber zu meinem Erstaunen weigerte er sich. Mehr noch, er tadelte mich und meine »geilen Gelüste« und vertrat in der Frage der Trennung vom Papst einen streng moralistischen Standpunkt. Empört ließ ich ihn stehen.
Als ich allein in meinen Gemächern war, schritt ich auf und ab. Die Lage schien hoffnungslos wie eh und je. More hatte mich verlassen. Die höchste kirchliche Autorität sah sich außerstande, mich mit Anne zu vermählen. Der Papst hörte nicht auf, gegen mich zu wettern. Nur Anne und das Parlament waren auf meiner Seite.
Aber just als es schien, als ob alles in Ewigkeit so bleiben müsse, wie es war, änderte sich alles – so plötzlich, wie ein Sommerschauer heraufzieht.
Gott griff ein, und Warham starb. Gewiss, er war ein alter Mann, hoch in den achtzig, aber ich hatte doch daran gezweifelt, dass ich ihn je loswerden würde. Seit meiner frühesten Kindheit war er da gewesen und mir immer vorgekommen wie das Amt an sich, nicht wie ein Mensch: gottgegeben und ewig.
Es war August 1532, als Warham starb. Jetzt konnte ich mir einen neuen Erzbischof suchen, einen, der meinen Wünschen gegenüber gefügiger war. Und wen sollte ich für diese Ehre erwählen? Ich wusste die Antwort schon: Thomas Cranmer.
Cranmer war verblüfft, als ich ihn von meiner Entscheidung in Kenntnis setzte. Er sei nur ein einfacher Priester, protestierte er. Ein Bischof müsse doch sicher …
Ich erinnerte ihn daran, dass Thomas à Becket noch weniger, nämlich nur ein Diakon, gewesen sei.
»Aber, Euer Gnaden«, stammelte er. »Er war wahrhaft ein heiliger Mann, während ich … ich …«
»Ihr seid auch ein heiliger Mann. Daran zweifle ich nicht, Thomas. Seht doch! Beide heißet Ihr Thomas! Ist das nicht ein Omen?«
Er stand noch immer da wie ein begossener Pudel. Noch nie hatte ein Kandidat für das Amt des Erzbischofs von Canterbury die Nachricht von seiner Beförderung mit weniger Begeisterung aufgenommen.
»Ich werde die Bullen des Papstes – ich meine, des Bischofs von Rom – zu Eurer Ernennung in aller gebührenden Eile auf den Weg bringen. Nächstes Jahr um diese Zeit werdet Ihr schon wohlbewandert sein in Euren Aufgaben als Primas von ganz England!«
Noch einmal hob er seinen jammervollen Blick zu mir. Ich war entzückt über diese Entscheidung, und er war niedergeschlagen!
»Jawohl, Euer Gnaden«, brachte er schließlich hervor. »Danke, Euer Gnaden.«
Jetzt wusste ich, in welche Richtung mein Weg führte; klar lag er vor mir. Wäre Cranmer erst – mit dem gebührenden
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