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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Gesicht zwischen ihre Hände. »Ach, Heinrich. Der König von England ist mein einziger Freund.«
    »Und du wirst Königin von England sein«, versicherte ich ihr. »Und dann wirst du viele Freunde haben. So viele, dass du nicht mehr wissen wirst, wer wirklich dein Freund ist.«
    Sie lachte – ein halb ersticktes Lachen. »Jeder, der Macht hat, sagt so etwas. Aber ich möchte doch meinen, ich werde immer wissen, wer meine Freunde sind.«
    »Dann glaubst du wohl, wer Macht bekommt, wird dafür mit Blindheit geschlagen?«
    Sie wirbelte herum. »In der Tat. Denn niemand wird Euch die Wahrheit sagen. Alle suchen nur ihren eigenen Vorteil, alle kommen wie die Pferde zum Trog, um zu saufen. Und vorher lecken sie Euch die Hände.«
    Ich verzog schmerzlich berührt das Gesicht. »Anne. Sei ein wenig freundlich.«
    »Niemals! Denn sie waren nicht freundlich zu mir!«
    »Ich war es.«
    »Manchmal.« Sie begann, von neuem auf und ab zu gehen. »Aber wie jeder Mensch wollt Ihr beides: Tand und Liebesgaben für mich, und feierliche Auftritte mit Katharina. Zwei Frauen. Es wundert mich, dass Ihr nicht zum Türken werdet und Euch noch zwei nehmt. Das islamische Recht gestattet vier, glaube ich.«
    Ich merkte, dass Zorn in mir aufstieg. »Bei Unserer Lieben Frau, Anne! Du treibst es zu weit!«
    Endlich blieb sie stehen. Im Schein des Feuers sah sie aus wie eine Statue; die Falten ihres Kleides wirkten wie gemeißelte Linien. Dann sprach sie wieder. »Zu weit? Ihr, der Ihr Weiber habt seit über zwanzig Jahren? Weiber aller Sorten – von der frommen Katharina bis zu meiner verlotterten Schwester Mary? Und ich immer noch Jungfrau?« Sie bewegte sich, kam näher. »Den Jüngling, den ich liebte, habt Ihr fortgeschickt, noch ehe ich zwanzig war. Und was habt Ihr mir dafür geboten? Nichts. Nichts als Warten – und Schmach.«
    »Ich biete dir mich selbst – und den Thron.«
    »In welcher Reihenfolge?« Ihr Gelächter tönte harsch. Ich hasste dieses Lachen. Dann drehte sie sich wieder um; ich sah ihr Gesicht im Feuerschein und vergaß alles andere.
    »Ich kann dich nicht zur Königin machen, bevor wir nicht verheiratet sind«, sagte ich. »Cranmer wird uns vermählen. Aber solange er nicht durch den Papst ermächtigt ist, bedeuten seine Worte und Handlungen nichts. Im Gegenteil, sie würden unsere Sache besudeln. Es dauert nur noch ein Weilchen. Wir müssen Geduld haben.«
    »Geduld!«, kreischte sie und durchquerte schnellen Schritts das Zimmer. Fieberhaft riss sie Koffer und Truhen auf und zerrte Gewänder hervor. »All das Zeug habe ich nähen lassen, seit ich am Hofe bin! Und jetzt ist es längst passé! Wie lange noch? Wie lange noch?«
    »Nur noch ein paar Monate, mein Herz.« Ich hoffte, sie damit zu besänftigen.
    »Ein paar Monate! Ein paar Jahre! Ein paar Jahrzehnte!« Hässlich sah sie aus; ihr Mund war verzerrt.
    »Dies ist unziemlich«, mahnte ich. »Eine Königin benimmt sich nicht so.«
    Sie hielt inne und straffte sich. »Ja. Eine Königin muss geduldig sein und lange leiden können. Wie Katharina. Wartet zehn Jahre auf die Verlobung. Wartet nochmals sieben Jahre auf die Hochzeit. Wartet wiederum sechs Jahre, während der König mit seiner Geliebten spielt … der letzten in einer langen Liste.«
    »Anne – du bist ungerecht. Du weißt, dass die anderen …«
    »Euch nichts bedeuteten? Weshalb habt Ihr Euch dann mit ihnen abgegeben?«
    »Das kann ich nicht …«
    »Beantworten? Nein, Ihr wollt es nicht beantworten!«
    Sie warf das lange, schwere Haar in den Nacken und starrte mich höhnisch an. Der Zorn übermannte mich, machte mich zu seinem Sklaven.
    »Ich beantworte, was mir beliebt!« Ich hob die Hände und packte sie bei den Schultern. Sie waren mager; ich fühlte die Knochen unter dem Fleisch. Ich erwartete, dass sie zusammenzucke, doch sie tat es nicht.
    »Für dich habe ich mein Königreich aufs Spiel gesetzt! Habe mich der herrschenden Ordnung aller Dinge auf dieser Welt entfremdet, mir den Papst zum Feind gemacht, den Kaiser und meine geliebte Tochter – was kann ich noch tun, um dir zu beweisen, dass du in meinem Leben das Höchste bist?« Noch immer lag dieser hochmütige, selbstgefällige Ausdruck in ihrem Gesicht; er trieb mich zur Raserei. »Du hingegen, du machst mir nicht das einfachste Geschenk – das Geschenk, das jede Kuhmagd ihrem Herzliebsten gewährt. Und die ganze Zeit trägst du die königlichen Juwelen!«
    Ich griff nach dem Geschmeide und riss es ihr mit einer geschickten Bewegung vom

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