Ich, Heinrich VIII.
zurückgelegt.
Auf Annes »Erhebung«, wie man es nannte, ließ ich eine reguläre Sonntagsmesse in der St.-Georgs-Kapelle zu Windsor folgen. Es war eine spektakuläre Kirche, hell und funkelnd im neuen Stil erbaut, und ich fand, sie gebe die gebührende Kulisse für das beispiellose Vorhaben, das ich plante.
Um die Wahrheit zu sagen, es war nur das erste unter vielen beispiellosen Vorhaben, die ich noch in die Tat umsetzen wollte, und ich war neugierig, zu sehen, wie man diesen ersten Vorstoß aufnehmen würde. Würde das Volk »murren« oder nicht? Würden die Leute sich dem Unvermeidlichen beugen und ihre Missbilligung hinter heuchlerischen Masken verbergen? Oder würden sie öffentlich Kritik anmelden?
Ich hob die Kniende auf und überreichte ihr ihren Adelsbrief, auf dass sie ihn selbst verlese. Sie tat es mit überraschend lauter, klarer Stimme, als wolle sie die Herzöge von Norfolk und Suffolk, die Botschafter Frankreichs und Italiens, die Geistlichen oder sonst einen Anwesenden herausfordern, etwas daran auszusetzen. So war sie immer: rücksichtslos, trotzig und ganz und gar auf sich selbst bauend. Das war es ja, was ich an ihr liebte, und das war es auch, was ich schließlich hasste.
Sie las zu Ende. Ich trat zu ihr hinunter und legte ihr den hermelinbesetzten karmesinroten Mantel des Adels um die Schultern. Dann setzte ich ihr das Diadem auf den glänzenden Schopf und gab ihr den Adelsbrief. Sie dankte mir anmutig – und so distanziert, dass man uns für Fremde hätte halten können –, und dann erklangen wieder die Fanfaren, und sie wandte sich um und verließ die Kapelle.
Ich schaute in die Runde und suchte die Mienen der Versammelten zu deuten. Unbehaglich war ihnen zumute: Dass nichts sich regte, niemand sich unwillkürlich rührte, verriet sie en masse. Verflucht sollen sie sein!, dachte ich, doch dann besann ich mich. Was hatte ich erwartet? Mir selbst war der erste Tag, da ich ein Paar neue Schuhe tragen musste, auch zuwider. Nie passten sie tadellos. Aber eine Woche später war es, als sei man damit geboren. Genauso würde es den Leuten mit Anne gehen!
Später am Nachmittag besuchte ich Anne in ihren Gemächern in York Place.
Sie war inzwischen einfach gekleidet; sie trug ein leichtes Gewand und keinen Schmuck. Die Krone ruhte auf einem kleinen Tisch, und der rote Mantel war über einen Stuhl drapiert, als wolle sie beides nur ungern forträumen.
Beifällig schaute ich mich um. Die Räume waren exquisit und geschmackvoll möbliert. In meinen anderen Schlössern würde sie dies ebenfalls besorgen – der herbe spanische Einfluss sollte verschwinden. Genüsslich stellte ich mir vor, wie sie Katharinas private Beicht- und Bußkapelle ausräumen und stattdessen eine sonnige Fensterbank einbauen lassen würde, wo man die Laute schlagen könnte.
Sie erhob sich, um mich zu begrüßen, und ihr Gesicht war voller Freude. Wir umarmten uns wie ein Liebespaar; vorbei war es mit dem sittsamen Betragen, das wir noch wenige Stunden zuvor an den Tag gelegt hatten.
»Als Marquise siehst du nicht anders aus«, stellte ich fest.
»Ah, aber ich fühle mich anders!«, versetzte sie, und sie entwand sich meinen Armen und hüpfte fast zu ihrem Diadem. Sie setzte es sich aufs Haupt, ein wenig schief, und kicherte. Ich ging zu ihr und nahm es ihr ab.
»Eine Krone wird dir besser stehen.« Ich fuhr ihr mit beiden Händen durch das schwere, glänzende Haar, am Nacken hinauf und über den Kopf. »Aber die übliche St.-Edwards-Krone eignet sich für dich nicht. Dein Kopf und dein Hals werden das Gewicht nicht tragen können. Ich muss eine besondere, leichtere Krone für dich machen lassen.«
Sie sah zu mir auf. »Ist mein Hals nicht stark genug?«
»Die Krone ist äußerst schwer. Nein, du sollst eine eigene bekommen. Die, die wir haben, kann nur tragen, wer einen Stiernacken hat.«
»Wie Ihr und Katharina?« Sie lachte. Wirklich, an diesem Nachmittag benahm sie sich wie ein Schulmädchen. Sie kam mir jünger vor als Prinzessin Maria.
»Ja. Nicht schlanke Weiden und Narzissen wie du.«
Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Dann lasst mir eine machen, Geliebter.« Sie fasste mich bei den Händen und lehnte sich zurück, sodass ihr herrliches Haar flatterte und glänzte, und dann zog sie mich hinter sich her in ihr Privatgemach.
Sie lachte; ich lachte; nie war ich glücklicher gewesen, noch hatte ich sie jemals mehr geliebt. Ich glaube, wir zeugten Elisabeth an diesem schlaftrunkenen und doch
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