Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
Vom Netzwerk:
unterwegs; dieses nie besungene Gelände ist meine Herausforderung: Ich mache es, mache mir meine eigene Landschaft.
    »Jane«, rief ich auf dem Hof. »Jane.« Es war kein Befehl, sondern ein Schrei.
    Jane erschien oben in einem Fenster über der Tür zu Nicholas Carews Haus. Sie hatte die Sauberkeit des Landlebens gesucht, als Anne verhaftet worden war und es keine Königin mehr gab, der sie zu dienen hatte, und somit auch keinen Grund für sie, am Hofe zu verweilen.
    »Ich bin hier«, sagte sie. Sie verschwand vom Fenster, kam die Treppe herunter und trat langsam zur Tür heraus. Ich stieg vom Pferd und erwartete sie; ich war müde, aber ich hatte mich mit dieser Müdigkeit abgefunden: Sie würde nie vergehen. Ich würde sie nur mit jemandem teilen können.
    Stumm kam sie zu mir und streckte die Hände aus. Ihr Gesicht leuchtete von einer Liebe und Güte, die nicht von dieser Welt war. Sie verstand, ohne dass das Wissen sie verunreinigte,
    »Jane.« Ich machte keine Anstalten, sie zu berühren. »Wollt Ihr meine Frau werden?«
    »Mit meinem ganzen Herzen«, antwortete sie. »Und auch mit Leib und Seele.«
    Das also ist der Himmel: Die Heimkehr aus einem langen Exil.

LXXV
    W ir kehrten nicht nach London zurück, sondern verbrachten die Nacht im Hause Carews und brachen früh am nächsten Morgen nach Wolf Hall auf. Jane war ein Mädchen aus Wiltshire, und alle, die ihr viel bedeuteten, wohnten dort in den Dörfern der Umgebung. Seit 1427 waren die Seymours Hüter des Waldes von Savernake, und schon um 1300 hatten sie in der Gegend von Bedwyn ihren Wohnsitz gehabt. Aus diesem Stückchen England zogen sie Kraft und Freude, nicht aus irgendwelchen Positionen bei Hofe. Jane sollte sich vermählen, und sie wollte, dass ihre Freunde und Nachbarn aus Wiltshire mit ihr feierten.
    Die Dämmerung war weit fortgeschritten, als wir in Wolf Hall anlangten; die Dienerschaft hatte ihre Arbeit beendet, und der alte, schwache Sir John war gefüttert und oben in seiner Kammer zugedeckt und schlafen gelegt worden. Jane flog die Treppe hinauf, und ich folgte ihr; staunend wurde mir bewusst, dass ich dergleichen noch nie getan hatte – noch nie war ich eine Treppe hinaufgestiegen, um vor den Vater meiner Liebsten zu treten und ihn um seinen Segen zu bitten. Ich war der König. Aber es war mir schmerzlich bewusst, dass nicht viele Väter es als ein Glück für ihre Töchter betrachten würden, wenn sie mich heirateten.
    »Vater!« Jane stieß die Tür auf und sah Sir John im Bette liegen, eine flanellene Nachtmütze auf dem Kopf, obwohl es Mai war. Sie lief zu ihm und kniete an seinem Bett nieder.
    »Janey«, sagte er. »Du bist zu Hause?«
    »Ja. Ich möchte dich um deinen Segen bitten. Zu meiner Vermählung. Mit dem König.«
    Ich trat in den Lichtkreis. »Ich liebe Eure Tochter«, sagte ich. »Ich möchte sie zu meiner Königin machen.«
    Er starrte mich an. »Meine Janey? Königin von England? Sie kann kein Latein.«
    »Sie kann mehr als nur Latein«, sagte ich.
    »Wirst du uns segnen, Vater?«, fragte Jane.
    »Aye.« Er runzelte die Stirn, als treibe er seinen Verstand zusammen wie ein Schäfer seine Herde. »Aye.« Er streckte die Hand aus. »Sei ihm ein Segen, wie Sarah dem Abraham ein Segen war.« Er wandte sich zu mir. »Freut Euch an ihr. Aber erstickt sie nicht mit Juwelen.« Er nickte ob seines Scharfsinns.
    Innerhalb weniger Tage kamen noch andere nach Wolf Hall, angewidert vom realen wie vom moralischen Gestank Londons. Edward und Thomas Seymour kehrten natürlich unverzüglich heim; sie waren schon am nächsten Morgen da. Francis Bryan, Annes Cousin, der vor ihrer Schmach geflüchtet war, folgte ihnen, und dann kamen nacheinander Sir John Russell, William Fitzwilliam und John Dudley. Gleich nachdem er uns beglückwünscht hatte, machte Edward sich daran, die Verlobungsfeier vorzubereiten, wie sie jeder richtigen Braut zukam. Sie würde in der Scheune stattfinden, denn die Große Halle von Wolf Hall reichte nicht aus, die große Schar der Gratulanten aufzunehmen. Es sollte ein ländlicher Empfang werden, und ich überließ alles den Seymours und genoss die Freiheit, einmal nicht bei Prunkzeremonien und königlichen Ritualen den Vorsitz führen zu müssen.
    Die große Scheune wurde von Heu und Kleinvieh geleert, und eilends legte man einen Boden hinein. Als Nächstes verhängte man die rohen Wände mit Seide, und Kinder aus der Nachbarschaft verbrachten drei Tage damit, wilde Blumen und Ranken zu sammeln und daraus lange,

Weitere Kostenlose Bücher