Ich, Heinrich VIII.
beim festlichen Pfingstgottesdienst zu einer halben Krönungsfeier für Jane werden.
Später, in York Place, gab ich ein großes Nachmittagsbankett, vorgeblich zur Feier des Pfingstfestes – denn in der Mitte der Tafel prangte eine mächtige Torte aus zerdrückten Erdbeeren und sieben Schichten zum Gedenken an die sieben Gaben, die der Heilige Geist an Pfingsten den Aposteln anvertraute –, aber in Wirklichkeit war es eine Hochzeitstorte und ein Hochzeitsschmaus.
England hatte endlich eine wahre Königin, und es gab niemand, der mir ihretwegen grollte.
Ich beendete die Festlichkeiten, indem ich sie am achten Juni zur Parlamentseröffnung mitnahm.
So saß sie an meiner Seite auf dem Staatssessel, schaute über die Mitglieder des Ober- und des Unterhauses hinweg und hörte, wie Lordkanzler Audley ausrief: »Wohl entsinnt Ihr Euch der großen Bangnis und Beschwer, die unser unbezwingbarer Souverän« – hier nickte er mir zu – »wegen seiner ersten unrechtmäßigen Ehe leiden musste. Ebenso sollte ein jeder der Not und Gefahr eingedenk sein, die über ihm dräuten, als er seine zweite Ehe einging, und auch nicht vergessen, dass die Lady Anne und ihre Komplizen inzwischen des Hochverrats für schuldig befunden und ihrer gerechten Strafe zugeführt worden sind.« Er schüttelte den Kopf, und ein hässlicher schwarzer Schatten zog über das ganze Parlament und auch über meine Seele hinweg.
»Gibt es einen Mann in mittleren Jahren, den dieses alles nicht davor möchte zurückschrecken lassen, sich ein drittes Mal zu vermählen? Doch unser vorzüglicher Fürst unternimmt es von neuem, sich ehelich zu binden! Und hat auf die demütige Bitte des Adels diesmal ein Weib erwählt, welches in seiner hervorragenden Schönheit und Reinheit in Fleisch und Blut geeignet ist – so Gott will –, Nachkommenschaft zu empfangen.« Die Anwesenden erhoben sich und spendeten Beifall.
»Die Lords mögen beten, dass der Krone aus dieser Ehe ein Erbe geboren werde«, schloss Audley.
Jane war jetzt meine Frau, und sie war wahrhaft Königin: Mir angetraut durch rechten Ritus, vom Volke bejubelt und vom Parlament geehrt. Es war geschehen, und ich war endlich glücklich.
Endlich glücklich. Weshalb ist es so schwierig, Glück zu beschreiben? Es gibt Worte in Fülle für Schmerz, Verzweiflung und Leid, und sie sind voller Lebendigkeit. Für das Glück aber bleiben schwache Verben, kraftlose Adjektive, matte Adverbien. Die Beschreibung des Glücks lässt den Leser rasch die Stelle überspringen, und der Schreibende zappelt im Sirup.
Doch wie sollen wir uns daran erinnern, wenn wir es nicht aufschreiben? Wir bewahren den Sommer in eingekochten Früchten und Marmeladen, wir fangen den Herbst im Wein aus spät reifenden Trauben, wir machen Parfüm aus den Blumen des Frühlings. Auf diese Weise erinnern wir uns – sei es auch schief oder verändert – an die Essenz eines Augenblicks.
Aber menschliches Glück … all unsere Worte dafür sind so mild, als wäre die Sache selbst nur die milde Abwesenheit von Schmerz, wo das Glück doch in Wirklichkeit robust und stark ist, seine Farbe das ganze Spektrum des Lichts umfasst, sein Klang so süß ist wie das Plätschern von Wasser im Wüstenpalast des Pharao, sein Duft der von lebendigem Fleische: Fell, Hitze, Küchenduft.
Ich war glücklich mit Jane, so glücklich wie eine der großen Katzen in Wolf Hall, die sich in der Sonne rekelten; man brauchte sie nur zu berühren und fühlte sogleich ihr tiefes, grollendes Schnurren, derweil sie ganz und gar im Augenblick ruhten. So ging es auch mir, und in diesem Sommer waren Jane und ich eins.
LXXVI
G lück zeugt Mut – insofern, als wir den Blick aus geduckter Selbstversunkenheit erheben und, geborgen hinter den Bastionen unserer festen, sonnengewärmten Burg, den Blick über das Land ringsum schweifen lassen. Scheinbar gibt es dann keine Wahrheit, der wir nicht gegenübertreten und widerstehen können, und so ziehen wir aus, sie zu suchen.
Seit jenem Junitag vor siebzehn Jahren, da Katharinas letzte Schwangerschaft die unwiderlegbare Summe des Fluchs, der auf uns ruhte, hervorgebracht hatte, war ich ein Spielball der Wahrheit gewesen, niemals ihr Gefährte. Die Wahrheit war jenes scheußliche, missgestalte Kind gewesen, und wenn das die Wahrheit gewesen war, dann war alles, wofür ich eingetreten war, falsch gewesen. Meine Ehe mit Prinzessin Katharina war falsch gewesen – zu Stande gebracht durch einen Dispens, der unübersehbar falsch war,
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