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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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dicke Girlanden zu flechten, die über die Seide drapiert wurden. Fackeln wurden längs des Weges aufgestellt, der zu der Scheune führte; sie war etwa eine halbe Meile weit vom Haus entfernt. In Sir Johns Küche hatte man mit den Vorbereitungen für das Bankett alle Hände voll zu tun, und die Bäcker in dem Dorf Tottenham Park stellten das Brotbacken ein, damit sie die verschiedenen Schichten des großen Verlobungskuchens in mehreren Öfen gleichzeitig backen konnten.
    In meinen Schlössern war derlei für mich selbstverständlich; ein Kuchen erschien, und ich fragte mich nie, wer ihn wohl gebacken habe. Hier aber wartete ich mit angehaltenem Atem auf die Kunde, ob die mittlere Schicht der Torte nun zusammengefallen war, als der Sohn des Bäckers den Ofen vorzeitig geöffnet hatte. (Es war noch einmal gut gegangen – allerdings war sie in der Mitte ein wenig platt.)
    Janes Verlobungsbankett, bei dem einhundert Nachbarn und Verwandte zu Gast waren, war ein schlichtes, schönes Mahl. Drei lange Tische waren in der umgebauten Scheune aufgestellt, und die Brüder hatten genug weißes Linnen beschafft, um sie alle damit zu decken, und genug Zinn, Gold und Silber, dass jeder von Metallgeschirr essen konnte. (Alle meine Angebote, nach London zu schicken und Rollen von Leinwand und Kisten mit goldenen Tellern herbeibringen zu lassen, lehnten sie ab.) Französischer Rotwein funkelte in den Bechern, und Sir John war trotz seiner Geistesschwäche in der Lage, den ersten Trinkspruch auszubringen und die Verlobung seiner Tochter offiziell zu verkünden. Dann ging es mit Edward weiter.
    »Auf meine Schwester, die das Herz unseres obersten Herrn, des Königs, gewonnen hat: Ich wünsche ihr Freude und Glück«, verkündete er und schwenkte dabei seinen Becher. Alle erhoben sich und tranken.
    Jane funkelte noch mehr als der Rotwein und zeigte sich von einer Seite, von der ich geglaubt hatte, dass sie ihr fehle. Wohl war ich bereit gewesen, darauf zu verzichten, aber festzustellen, dass ich es nicht brauchte, war doch ein unverhofftes Geschenk.
    Andere erhoben sich und sprachen – von Janes sanftem Gemüt, ihrer viel versprechenden Jugend, von ihrem Humor und ihrer Bescheidenheit. Auf eine wunderliche Weise beneidete ich diese Freisassen und Landjunker aus Wiltshire. Sie hatten Jane als kleines Mädchen gekannt, hatten sie aufwachsen sehen. Sie schenkten sie mir. (Widerstrebend?)
    Die große Torte wurde hereingefahren. Sie war mit elfenbeinfarbenem Mandelguss überzuckert, und der untere Rand war mit Wildblüten und kandierten Früchten, die aussahen wie Edelsteine, verziert. Jane schnitt sie lachend an; von innen war sie dunkel und gefüllt mit Korinthen und Gewürzen. Die Stücke wurden verteilt, und am Ende war kein Krümel übrig.
    Dann der Tanz. Geigenspieler kamen zusammen, Lautenschläger aus der Umgebung und Musikanten mit Fiedeln, Drehleiern, Zithern und kleinen Harfen. Ein Zwillingspaar, zwei hübsche kleine Basen, kamen herbei und krönten Jane mit einem Kränzchen aus wilden Rosen. Sie lachte, und wir tanzten, und die ganze Gesellschaft tanzte mit uns dort in der umgebauten Scheune …
    Wir heirateten am vorletzten Tag im Mai in der kleinen Privatkapelle in York Place. Jane war still an diesem Tag; sie war nicht die sonnverbrannte Landjungfer aus Wiltshire, die ich entdeckt und verehrt hatte. Wir mussten in London getraut werden; das sah sie ein. Es durfte nichts Geheimes dabei sein, kein »unbekannter« Priester. Aber wir fühlten beide immer, dass unsere wahre Trauung an jenem Abend in der großen Scheune vollzogen worden war.
    Jane kam als Jungfrau an Körper und Geist in mein Bett, wie es keine meiner beiden anderen »Gemahlinnen« getan hatten. Ich aber kam zu ihr als Junggeselle, denn ich war bis jetzt nie wirklich verheiratet gewesen. Alles war so, wie es sein soll und wie es so selten ist …

    Ich stellte Jane dem Reich als meine Königin vor, indem ich ihr eine neue Barke schenkte, die dem venezianischen Bucintoro nachempfunden war, und einen großen Wasserkarneval auf der Themse veranstalten ließ, als wir stromaufwärts zur Westminster-Abtei fuhren, um dort den Pfingstgottesdienst zu feiern. Es war ein prächtiger, klarer Tag, und das Volk in der Stadt hatte die winterlichen Wollsachen abgeworfen und tollte in Kattun und Seide durch die sonnendurchfluteten Straßen. In der Kathedrale drängten sich die Menschen, und die jubelnden Massen überschütteten uns mit einem Blumenregen und ließen unser Erscheinen

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