Ich, Heinrich VIII.
erpicht darauf, mein geliebtes Weib in meiner eigenen Sprache zu mir sprechen zu hören. Es wird mein Glück vollkommen machen.«
Ein Anflug von Sorge huschte über seine Stirn, diese Stirn, die in Italien so gut ausgebildet worden war. Gleich machte er seinen Lehrmeistern wieder Ehre. »Wie Ihr befehlt, Eure Majestät. In Eurer Zufriedenheit liegt mein Glück.«
Und dein Wohlergehen, dachte ich. Ja, deine Existenz.
Ich nickte gefühlvoll und tätschelte Anna die Wange.
Am Abend, nach einem leichten Mahl aus kaltem Hirschbraten, Pudding und Brot, wurde mir ein schlanker junger Mann gemeldet. Anna und ich wollten uns eben in unser »Brautgemach« begeben; die Höflinge und Bediensteten hatten sich zurückgezogen – ohne Zweifel, um ihre Späße über mich zu machen und mich zu bemitleiden. Nun, ihr Gelächter und ihr Mitleid würden nicht von Dauer sein.
»Ja?«
»Mich schickt der Lord Geheimsiegelbewahrer«, sagte er. »Ich soll die Prinzessin von Kleve, Gott schütze sie, Englisch lehren.« Er präsentierte mir einen Korb mit Büchern, Federn und Papier.
Crum – stets voller Wagemut in der Erfüllung meiner Wünsche. Wem hätte es einfallen können, noch am selben Abend jemanden herzuschicken, auf dass der Unterricht beginne? Nur Crum.
Ich winkte den jungen Lehrer herein und ließ ihn mit Anna an einem Tisch Platz nehmen.
»Ich … bin … Anna.
Du … bist … Martin.
Er … ist … König Heinrich.«
Und zu diesem Refrain schlief ich ein – am zweiten Abend meiner jungen Ehe.
LXXXVIII
I n den nächsten acht bis zehn Tagen widmete Anna sich ganz und gar ihrem Englischunterricht. Erstaunt sah ich, wie konzentriert und sorgfältig sie war. Jeden Morgen, wenn ich sie verließ, küsste ich sie auf die Wange und sagte: »Guten Morgen, mein Herz.« Abends vor dem Schlafengehen gab ich ihr wieder einen keuschen Kuss und sagte: »Schlafe wohl, meine Liebe.« Am vierten Morgen konnte sie sagen: »Guten Morgen«, und am Abend: »Auch Ihr, mein Gemahl.« Ehe noch viele Tage ins Land gegangen waren, erkundigte sie sich fürsorglich nach meinen Staatsgeschäften, meinen Ratssitzungen und den bevorstehenden Hochzeitsturnieren und Festlichkeiten. Nicht mehr lange, und ich hätte ein sprechendes Pferd.
Sanftmütig (wie es sich für ein zahmes Haustier gehörte) erlaubte sie, dass ihre Damen nach Kleve zurückgeschickt wurden, dass man ihr neue Bedienstete zuteilte und dass man ihr eine ganz neue Garderobe anmaß und schneiderte. Fröhlich gab sie ihre »Elefantenohr«-Hauben auf, und sie zeigte sich überraschend geschmackvoll bei der Auswahl kostbarer Stoffe und modischer Gewänder. Jedenfalls hatte sie die rechte Figur für jegliche Extravaganz an Gewicht oder Farbe. Es war wirklich so, als werde hier ein mächtiges Schlachtross ausstaffiert.
Ich verbrachte meine Tage in geheimen Konferenzen, brütete über den neuesten diplomatischen Depeschen, in denen von der »Freundschaft« zwischen Karl und Franz die Rede war. Sie durften von dem mangelhaften Erfolg meiner neuen Ehe keinen Wind bekommen, und statt irgendjemandem zu vertrauen, musste ich meine Rolle so gut spielen, dass niemand, nicht einmal Cromwell, Verdacht schöpfte. Also spielte ich den glücklichen Bräutigam, beobachtete mich, als wäre ich losgelöst von mir selbst, und staunte über meine eigene Begabung für die Heuchelei. Ich habe den Verdacht, dass jeder dieses Talent besitzt. Diejenigen, die klagen: »Ich kann nicht lügen, denn mein Gesicht verrät mich stets«, sind die gerissensten Lügner von allen.
Die Pläne für eine große Nationalfeier machten Fortschritte. Die protokollarischen Vorbereitungen mussten getroffen werden, und an einem windigen Tag gegen Ende Januar wurden die Turnierschranken auf dem Kampfplatz von Schloss Whitehall aufgestellt, die bunten Fahnen wurden gehisst, und die Zuschauertribünen wurden mit den Farben der Tudors drapiert.
Crum hatte eine Neuerung einrichten lassen: Die königliche Loge war geschlossen und wurde mit Kohlenbecken geheizt. Wir sollten uns die Wettstreiter durch Glasscheiben anschauen.
Am Tag des königlichen Turniers war es böig und bedeckt; es war einer dieser Tage, die einem durch und durch grau erscheinen. Aber in dem königlichen Glaskasten herrschte Hochsommer, und er war erfüllt von dem Geschnatter und den entblößten Hälsen, die die Wärme mit sich bringt.
Anna trug einen eckig geschnittenen Mantel aus goldenem Samt und Brokat, und auf ihrem Kopf saß ein goldenes, mit Smaragden
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