Ich, Heinrich VIII.
werden. Wir wünschen uns, dass diejenigen, die unsere Jugend mit uns geteilt haben, immer jung bleiben, damit sie uns an das erinnern, was wir waren, nicht an das, was wir sind. Ist es also am besten, wenn man jung stirbt? Gewiss – für diejenigen, denen unsere Existenz ein Prüfstein ist, eine Bestätigung ihrer selbst.
Prinzessin Maria, ganz in Purpur. Sie liebte diese Farbe, und da sie das Recht hatte, sie zu tragen, sah sie keinen Grund, ihre Hauben, Taschentücher und Schuhe ebenso wie ihre Kleider nicht in der Farbe zerdrückter Veilchen anfertigen zu lassen. Keinen Grund – außer dass diese Farbe ihr einzigartig schlecht zu Gesicht stand: Sie sah darin ganz gelb aus. Neben ihr saß, ein ungewöhnliches, hübsches Geschöpf, das alles über Farben wusste und sie zu nutzen verstand. Sie hatte rötlich braunes Haar und die helle Haut, die manchmal dazugehört, und die Farbe ihrer Kleider war ein gedecktes Rosa, das ihrem Gesicht und ihrem Haar die feinsten Nuancen verlieh. Sie plapperte auf Prinzessin Elisabeth ein, die zu ihrer Linken saß. Elisabeth hatte ihr erstaunlich rotes Haar mit einem Stirnband sittsam zurückgebunden und trug ein bescheidenes Braun. Sie war erst sechs, und ihr Benehmen war doch so würdevoll und ihre Haltung so erwachsen, dass sie vom anderen Ende der Halle betrachtet aussah wie Margaret Beaumont, die von den Toten auferstanden war, um mich zu verspotten und über mich zu richten. Ihre schwarzen Augen – stechende, schwarze Knopfaugen – waren die gleichen. Aber das Geschöpf, das neben ihr saß – schaumig, fransig, spritzig – brachte sie zum Lachen. Wer war die Lady?
Ein Speicheltropfen spritzte vor mir auf den Tisch. Anna sprach. Ich wandte mich ihr zu. Ja, sie sagte etwas, aber ich verstand kein Wort. Ich winkte einem der Gesandten aus Kleve, Hostoden, und forderte ihn auf, herzukommen und zu übersetzen.
»Sie sagt, es behagt ihr wohl in so frommer Gesellschaft«, erklärte er steif.
»Sagt der Königin« – wie merkwürdig das klang! –, »dass ich sofort einen Lehrer für sie einstellen werde. Sie muss die Sprache ihres Volkes lernen.«
Anna nickte heftig, und ihre Haube schwankte. Wieder musste ich an Elefantenohren denken. »Sie sind jetzt in England«, sagte ich. »Es wird Zeit, dass sie ihre heimischen Kostüme ablegen und sich kleiden, wie es die Mode hier gebietet. Ich werde den Hofschneider beauftragen, gleich morgen bei den Damen aus Kleve Maß zu nehmen.«
Als sie dies hörten, waren sie entrüstet.
»Sie sagen, es schicke sich nicht, ihre anständigen Hauben abzulegen«, übersetzte Hostoden. »Es ist unschicklich, das Haar zur Schau zu tragen.«
»Beim Hauche Gottes! Wenn sie sich nicht der englischen Sitte gemäß kleiden können, dann sollten sie nach Kleve zurückkehren!«
Sie runzelten ob dieser Erwiderung die Stirn und erklärten, dass sie dann eben zurückkehren würden. Ich war sprachlos und beleidigt. So bereitwillig verließen sie England? Aber meine Empörung dauerte nur einen Augenblick lang, denn ich sah gleich ein, dass es eigentlich nur zu meinem Vorteil gereichte, möglichst viele von diesen Ausländerinnen loszuwerden und sie durch englische Damen zu ersetzen. In meiner Jugend war der Hof ein heller Ort gewesen, strahlend von Jugend und Schönheit wie eine Sommerwiese mit Blumen und Schmetterlingen im Sonnenschein. Irgendwo unter englischer Sonne gab es immer noch Jugend und Schönheit, und sie musste an den Hof geholt werden.
Anna machte ein erschrockenes und angstvolles Gesicht, als sie hörte, dass man sie allein lassen wollte. Aber ich streckte die Hand aus und berührte ihre in steifen Brokat gehüllte Schulter.
»Als englische Königin solltet Ihr von Engländerinnen bedient werden«, sagte ich, und Hostoden übermittelte ihr meine Worte. »Hier ist jetzt Eure Heimat. Und ich stelle einen … ich schicke nach einem …« Ich winkte Cromwell – ein leises Zucken von Auge und Finger, und er war an meiner Seite.
»Euer Gnaden?«
»Ihr habt alles beschafft, was Lady Anna braucht, aber keinen Sprachunterricht«, schalt ich ihn. »Ich wünsche, dass unverzüglich ein Lehrer gefunden wird, und zwar einer, der sein Handwerk so gut versteht, dass meine Gemahlin an Lichtmess vollkommenes Englisch mit mir sprechen kann.«
Cromwell nahm die unmögliche Aufgabe an, ohne eine Regung zu zeigen. Er verbeugte sich mit einem steifen kleinen Lächeln auf dem Gesicht.
»Jawohl, mein Cromwell«, setzte ich sanft hinzu. »Ich bin ja so
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