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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Bräutigam, der du vor deiner »Großen Sache« gewesen warst. Keine achtbare Prinzessin wollte dich mehr heiraten! Sie hatten das Gefühl, dass sie damit ihr Leben aufs Spiel setzen würden – dass du mindestens Unglück brächtest, wenn du nicht gar absichtlich danach trachtetest, deinen Gemahlinnen den Garaus zu machen. Zum Glück war das Herzogtum Kleve so behütet und die Lady Anna der englischen Sprache und des Klatsches so unkundig, dass ihr Bruder in deine Brautwerbung einwilligte. Nein, Heinrich, ich habe nicht gespaßt. Im Gegenteil, die schlimmsten der Bemerkungen, die im Umlauf waren, habe ich dir verschwiegen – ich habe dir nur berichtet, was ich wiederholen konnte.
    Heinrich VIII.:
    Aber die, die da Einwände erhoben, hatten keine Ahnung! Sie wussten nicht, wovon sie sprachen. Und wieso stellten sie sich immer auf die Seite der Frauen? Katharina starb nicht an »gebrochenem Herzen«. Sie starb an Annes Gift und ihrem eigenen törichten Stolz. Hätte sie sich mir gefügt, so hätte sie ihre Tage nicht im Moor beschließen müssen! Nein, sie hätte im Luxus gelebt, Maria mit mir teilen und in Ehren alt werden können. Und Nan – Gott sei Dank! wusste das gemeine Volk nicht, wie schwarz ihre Seele, wie verkommen die Hexe wirklich gewesen war, denn sonst würde es zitternd und bebend im Bette liegen und sich nie wieder sicher fühlen. Noch aus dem Grab verfluchte sie mich, die kopflose Dämonin! Und die süße Jane. Gott nahm sie mir, und Gott allein weiß, ich hätte mein Königreich als Lösegeld gegeben, um sie zu retten. Das Volk machte ein Lied über sie, und es sprach freundlich von mir. Was hatte die Gedanken der Leute seitdem so vergiften können? Anne – Anne, die noch aus dem Grab agierte, trotz allem, was ich getan hatte, um die Hexe zu entmachten.
    Ich hatte das Gefühl, sie sei im Zimmer. Oh, es war ein Fehler gewesen, ihren Schatten heraufzubeschwören. Ich kämpfte, um mich von ihm zu befreien; ich streckte die Hand aus und berührte Anna von Kleve beim Arm. Sie erschrak.
    »Lass uns schlafen«, sagte ich, so leise und sanft ich konnte. So verstand sie, was ich meinte, ohne die eigentlichen Worte zu verstehen. Sie lächelte zögernd und folgte mir dann wieder in das so abgeschmackt für die Liebe gerichtete Bett. Zusammen glitten wir zwischen den Satin und verbrachten die ruhigste Hochzeitsnacht, die irgendein jungverheiratetes Paar seit König Marke und Isolde verbracht hatte.
    Wir verschliefen uns. Man erwartete uns zur Frühmesse in der königlichen Kapelle und feierte die Messe dann ohne uns. Man erwartete uns in den Privatgemächern, wo frische Gewänder herausgelegt und eine große Silberschale mit gewürztem Wein zu unserer Labsal bereitgestellt waren. Man erwartete mich in der Ratskammer, wo Cromwell, Cranmer, der Admiral und andere mir die Pläne für die obligatorisch nach der Hochzeit stattfindenden Turniere, Spiele und Bankette darlegen wollten. Sie erwarteten uns ungeduldig, eifrig, geil – wie eine Horde von Schuljungen, die plötzlich am Privatleben ihres Lehrers teilhatten. Und ich, der Lehrer, mied sie und schwänzte wie ein Schüler: So waren die Rollen umgekehrt.
    Die fahle Januarsonne strahlte zu den Fenstern herein und erhellte nichts. Ich warf einen Blick auf Anna, die neben mir schlummerte. Ja, sie war so hässlich, wie ich es mir gedacht hatte. Die ausgezehrte Sonne war immer noch kräftig und erbarmungslos genug, um alle ihre Blatternarben zu beleuchten und ihre leberfarbene Haut zu zeigen. Ihre gelblichen Pferdezähne ragten zwischen ihren Lippen hervor, während sie vor sich hin schnarchte. Aber ich fühlte mich nicht mehr von ihr abgestoßen. Sie erschien mir als Verbündete, als seltsame Gefährtin in meinem unseligen Abenteuer – in dem Cromwell mein Gegner war.
    Ja, Cromwell. Ich hatte ihn für meinen Bundesgenossen gehalten, aber wer war er wirklich? Er war wie durch eine günstige Fügung aufgetaucht, als Wolsey den Hof verlassen hatte, vorgeblich um als Wolseys Agent zur Entwirrung der verzwickten finanziellen Angelegenheiten, die dieser ganz gegen seine Art ungeordnet zurückgelassen hatte. Mit dieser Tätigkeit hatte er sich eine Position der Macht verschafft – oder doch wenigstens eine Position von Bedeutung: Er war jemand geworden, mit dem man zu rechnen hatte. Wolseys Untergang war sein Aufstieg gewesen. Und dann hatte er sich mein Vertrauen verschafft. Wie? Durch seinen skrupellosen Umgang mit der Kirche. Die Entmachtung des Papsttums:

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