Ich, Heinrich VIII.
kleine Schößlinge waren. Eine kam aus Jerusalem. Die rote. Wir nennen sie ›Erlöserblut‹.«
»Erzähle mir von den Farben der Rosen«, sagte ich. »Sind sie nur rot und weiß?«
Er zog seine Hose zurecht und trat zwischen den Pflanzen hervor. »In der Wildnis ja. Aber im Garten kann man sie kreuzen und die Farben ein bisschen verändern. Was wir indes nicht kriegen, sind zwei Farben an einem Stock. Leider.« Er dachte, ich sei gekommen, um ihn zu schelten, weil es noch nicht gelungen war, eine vollkommene »Tudor-Rose« zu züchten, wie man sie an Schnitzwerken sehen konnte, mit roten Blütenblättern außen und weißen innen.
»Aber die hier« – ich ergriff die vollkommene Blüte mit dem Hauch von Gelb im Herzen –, »könntest du aus dieser irgendwann eine gelbe Blume züchten?«
Er zuckte die Achseln. »Ich versuch’s. Seit fast zehn Jahren ist das mein Ziel. Aber immer wieder erscheinen die roten Außenblätter! Einmal dachte ich, ich hätte es fast. Ich zeige sie Euch; ich habe sie gepresst. Die Blütenblätter waren alle gelb; nur die ganz äußeren hatten ein paar rote Streifen. Aber im nächsten Jahr …« Er machte ein angewidertes Gesicht. »Da waren sie wieder rot.« Er winkte mich zu seinem runden, strohgedeckten Gärtnerhäuschen in einer Ecke des ummauerten Gartens; er verschwand darin für einen Augenblick und kam dann mit einer platten, getrockneten Blüte auf einem Stück Pergament wieder zum Vorschein.
»Meine gelbe Rose«, sagte er mit melancholischem Blick. In der Tat, sie war beinahe golden gewesen. Wie schade! »Aye.« Ich konnte es ihm nachfühlen. »Man sieht, wie nah du dem Erfolg warst.«
In der Hütte sah ich Reihe um Reihe von Töpfen und Brettern mit Ablegern. »Darf ich?«
Er nickte, und ich trat ein. Der Mann hatte ebenso viele Ableger und Setzlinge wie ich Staatspapiere. In seiner Hütte war er Monarch und ich ein Neugieriger, ein Bittsteller.
»Könntest du eine Rose ohne Dornen züchten?«, fragte ich plötzlich. »Wenn du die Farbe ändern kannst, kannst du dann nicht auch die Stiele, die Zweige, die Blätter und andere Einzelheiten ändern – eben auch die Dornen?«
Er schüttelte den Kopf. »Die Dornen gehören anscheinend dazu, Euer Gnaden. Sie sind immer dabei. Manche grün, manche braun, einige spitzer als andere. Aber an jedem Strauch müssen Dornen sein; das ist meine Erfahrung.«
»Könntest du einen Busch mit Dornen züchten, die nicht der Rede wert sind? Was meinst du?«
»Ich hab’s nie versucht.«
»Aber wenn du es versuchst?« Oh, das war die Begriffsstutzigkeit des gemeinen Volkes. Und auch sein Schutz. »Versuche es. Ich will es dir reichlich lohnen, wenn du einen solchen Busch züchten kannst. Eine Rose ohne Dornen.« Ich trat dicht an ihn heran und sah ihm fest in die Augen. »Es bedeutet mir etwas. Ich brauche deine Hilfe!«
»Ich kann es versuchen, Eure Majestät.«
»Wie lange würde es dauern?«
Er machte ein erschrockenes Gesicht. »Ich weiß es nicht. Das kann ich nicht einmal schätzen. Ich dachte, ich hätte eine gelbe Rose« – wieder deutete er mit dem Kopf auf das getrocknete Exemplar –, »aber ich wurde enttäuscht.«
»Aye.« Ich wendete meinen Blick ab und drehte mich um.
»Und dann der Winter. So viele Monate, in denen man nichts tun kann als warten.«
Winter. Warten. Oh, das kannte ich gut.
»Tu dein Bestes«, sagte ich. »Wenn man sein Bestes tut, fügt sich am Ende alles.«
Ich verließ die Rosenhütte und trat hinaus in den hellen Sonnenschein. Brandon musste inzwischen in Richmond sein; Anna würde jetzt meine Bedingungen lesen.
»Einstweilen nehmt diese«, sagte der Gärtner und reichte mir einen kleinen Tontopf mit einem frisch gepflanzten Steckling. Die kundige Hand des Alten und die fette neue Erde hatten bewirkt, dass schon eine Knospe erblüht war. Ich berührte den Stiel und führte die Blüte zu meiner Nase. Aber es war nicht süßer Rosenduft, was ich da roch. Der Gestank von Cromwells gehorteter Salbe klebte immer noch an meinen Fingern, nach all dem Schrubben, nach so vielen Stunden.
»Oh!« Meine Hand zuckte so hastig zurück, dass der Topf zu Boden fiel und zersprang. »Ich …«
Jetzt war der alte Mann beleidigt. Er bückte sich und begann, die Scherben aufzusammeln. Trotzdem würde er meine Rose ohne Dornen heranziehen. Er musste. Ich hatte es ihm befohlen.
»Verzeih mir«, sagte ich. »Es war ein Versehen.« Ich wischte mir die Hände mit dem Taschentuch ab und eilte davon.
Der Gestank. Der
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