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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Nacht, wenn das erste Mal ein ganzer Abend mit Musik und Tanz geplant war. Ich übte in meinen Gemächern, probte alte Schritte und meisterte neue.
    Oh! Das Tanzen hatte mir gefehlt in jenen toten, hohlen Jahren, wie mir so vieles gefehlt hatte, so vieles, über das nachzudenken, ja, an das mich nur zu erinnern ich mir nicht erlaubt hatte. Es war, als habe es mir gefallen, tot zu sein.
    So! Das war sie, die richtige Drehung in der Galliarde. Es hieß, dieser Tanz sei »schockierend«, aber die Jugend liebte ihn …
    Mein Bein schien mir keine Schwierigkeiten zu machen, wenngleich es in den letzten zwei Wochen ein ominöses Kribbeln ausgesandt hatte.
    Die Große Halle wurde ausgeräumt, und mein bestes Begleitorchester versammelte sich dort mit Holzinstrumenten – Flöten, Krummhörnern und Schalmeien – und Saiteninstrumenten – mit Violen, Lauten und Harfen. Ich hatte die Musiker angewiesen, mit populären Weisen zu beginnen, damit alle Anwesenden am Tanz teilnehmen könnten; erst nach und nach sollten sie zu anspruchsvolleren Tänzen fortschreiten. Ich selbst würde erst gegen Ende zum Saltarello die Tanzfläche beschreiten. Mit meinem Auftritt würde ich die Gesellschaft überraschen, wie ich es vor langer, langer Zeit getan …
    Ich wandelte plaudernd unter den Festgästen umher und tat, als hätte ich nichts weiter im Sinn, als hätte ich vor, in meine schwere Robe gehüllt zu bleiben und wie ein alter Mann den Vorsitz über das Fest zu führen.
    »Ja, ja!« Ich nickte und klatschte in die Hände. Das Rondo ging zu Ende.
    Als Nächstes kam mein Tanz. Ich öffnete die Mantelspange, legte den Mantel beiseite. Ich machte mich bereit, genoss den Vorwand des Plauderns und ließ dabei die ganze Zeit meine Wadenmuskeln spielen, wippte auf den Fußballen und streckte die Zehen.
    Der erste Takt … ich schritt aus, streckte das Bein vor. Und fühlte einen stechenden Schmerz im Schenkel, plötzlich, wie ein Donnerschlag. Ich erstarrte in krampfhaftem Schmerz.
    Das Orchester spielte weiter. Niemand würde merken, dass ich meinen Anfangstakt verpasst hatte. Wie rasend massierte ich mein Bein – diesen verfluchten Verräter! Bei jeder Berührung fühlte ich Flüssigkeit hervorquellen, als drückte ich auf einen Schwamm. War mein Bein denn ein Schwamm? Ein mit Krankheit voll gesogener Schwamm? Ich trug schwarze Strümpfe, sodass der Fleck nicht zu sehen war. Also gut. Während ich die Worte im Geiste formte, durchflammte mich ein Hass, der so groß war, wie ich ihn nie zuvor empfunden. Dies war ein Feind! Ein Feind wie Anne Boleyn, wie Kardinal Pole, wie der Herzog von Buckingham. Satan hatte ihn wie sie geschickt, mich zu vernichten. Aber dieser war raffinierter: Er wollte mich von innen angreifen, von innen nach außen verrotten lassen.
    Ich würde trotzdem tanzen. Die Musik war wieder beim Eingangstakt angelangt, und ich sprang auf die Tanzfläche. Als ich dort auftraf, schoss mir der Schmerz wie ein Nagel durch den Schenkel hinauf bis in die Leisten. Die Leute wichen vor mir zurück, um Platz zu machen und um den König tanzen zu sehen.
    Und er wollte tanzen. Und er tanzte. Ich drehte mich und sprang so athletisch wie ein Hirsch, und ich vollführte die Schritte der Galliarde mit Vollkommenheit, mit einer Perfektion, wie sie sonst nur Uhrwerken und Fechtmeistern vorbehalten ist. Dies war ein Tanz, der die Anmut und Gewandtheit eines Kolibri erforderte. Und ich scheiterte nicht.
    Nach den ersten paar Takten erfüllte mich ein wildes, wütendes Vergnügen an diesem Schmerz, der da gegen mich kämpfte. Es war ein Gladiatorenkampf, und ich, bewaffnet mit Netz und Dreizack, hatte den Schmerz gefangen und gedemütigt.
    Kaum endete die Musik, sah ich mich von Männern und Frauen umgeben, die meine Gewandtheit priesen. Sie waren überrascht – o ja, sie waren überrascht. Das letzte Mal, dass jemand mich so athletisch hatte tanzen sehen, war zehn Jahre her, und viele der Gesichter, die damals zugegen gewesen waren, gab es nicht mehr.
    »Der Tanz ist ein Sport«, rief Henry Howard aus, »und heute hat er seinen Meister gefunden.«
    »Eines Tages wird diese Art des Tanzes – mit Sprüngen und vollkommener Haltung und mit besonderen Schuhen – von berufsmäßigen Tänzern vollführt werden müssen, von einer festen Truppe«, meinte Wyatt. »Aber zehn oder zwanzig Männer zu finden, die tanzen wie Ihr … solche gibt es nicht in England, Eure Majestät.« Er sagte es frei heraus und schlicht, und in seinen Worten lag keine

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