Ich, Heinrich VIII.
Ihr besser schlaft«, sagte Dr. Butts und hielt mir einen kleinen Silberbecher mit einem grünen Sirup entgegen. Es schmeckte so, wie die Salbe sich anfühlte: ein Brennen, gefolgt von Glückseligkeit. Ich war glücklicher als jemals zuvor; das bewirkte der Trank.
»Dies wird Euch helfen, die letzten paar Tage bis zum Dreikönigstag zu überstehen. Wenn Ihr es im Bauch und in den Adern habt, überwältigt es das Gehirn. Aber nehmt niemals mehr als einen halben Becher auf einmal. Und nicht öfter als dreimal täglich.«
»Ja. Ja.« Ich sah, wie er eine volle Flasche auf den Kaminsims stellte; sie leuchtete so hübsch wie flüssiger Smaragd. »Catherine …«, murmelte ich. »Die Königin …« Catherine wartete noch immer draußen … armes Kind …
Sagt ihr, ich schwebe in einer anderen Welt, wo nichts mehr wichtig ist, wo man nichts mehr fühlt …
Aber als er nach Catherine schauen wollte, war meine Frau nicht mehr da. Sie war allein hinausgegangen, woanders hin.
Ich schlief fest in dieser Nacht; der magische grüne Sirup zog mich tief unter die Oberfläche des Bewusstseins. Als ich erwachte, war die Sonne schon aufgegangen. Der Himmel draußen vor dem Fenster war klar und blau, und kleine Bänder von Sonnenlicht malten parallele Streifen auf den Fußboden. Ich hatte mein Beinleiden vergessen, bis ich die Füße über die Bettkante schwingen wollte. Da traf mich der Schmerz wie ein Hieb mit einem Eichenholzbalken und warf mich zurück in die Kissen. Mein Gegner war wach und wachsam. Also gut. Ich läutete nach Dr. Butts. Er kam, umwickelte mein Bein mit einem Tages-Ausgeh-Verband und verabreichte mir eine angemessene Dosis von dem Sirup. Dann rief ich meinen Gewandmeister, und gemeinsam erwählten wir ein juwelengeschmücktes Kostüm, das aller Augen zu meiner Brust lenken würde, weg von meinem Unterkörper.
Dies sollte meine Strategie für die nächsten drei Tage sein. Die Krankheit verhüllen. Den Schmerz von innen betäuben. Mein Kostüm als Bundesgenossen im Kampf zwischen mir und der Krankheit benutzen.
Catherine ließ ich mit ihren Freunden umhertollen. Vor ihr mehr als vor irgendjemandem sonst musste ich meine Schwäche verbergen. Von ihrem Platz an meiner Seite entlassen, hüpfte sie mit den Hofstutzern und Poeten davon, mit dem Howard-Klan und all seinen Vettern und sogar mit den wunderlichen Abkömmlingen der schottischen und irischen Häuptlinge. Die Letzteren sollten eine Zeit lang bei Hofe bleiben, um »zivilisiert« zu werden. Nötig hatten sie es jedenfalls. Der Schottenprinz war ein mit Sommersprossen übersäter Riese und trug eine Art bunten Wollrock um den Leib; eine phallische, pelzbedeckte Tasche baumelte kokett vor seinem Gemächt. Der irische Prinz war so weiß wie Elfenbein und von beinahe weibischer, perverser Schönheit; er spielte eine Harfe aus seiner Heimat und war unter keinen Umständen davon zu trennen. Keiner der beiden Burschen wusste, wie man tanzt, wie man sich ausländischen Botschaftern vorstellt, oder wie man scherzhafte, leichte Konversation mit Damen treibt.
Ich hatte mich bei meiner Tanzvorführung am Abend zuvor unter Beweis gestellt; niemand würde vermuten, dass ich nun notgedrungen still zwischen den gesetzteren Damen und Höflingen saß. Es waren die Leute mittleren Alters, die sich von den Frivolitäten der Jugend zurückgezogen hatten, geistig aber in den besten Jahren waren. Leider neigten sie stark dazu, über Theologie, Philosophie und Politik zu diskutieren.
Diese Leute waren überwiegend Frauen: Katherine, Brandons junge Frau; die Witwe Latimer; Lady Anne Herbert; Joan Champernown. Sie waren fromm, brillant, wortgewandt. Und, so argwöhnte ich, ein wenig protestantisch – wie es, das gab ich gezwungenermaßen zu, die jungen Leute alle waren. Der Protestantismus war neu, radikal, faszinierend. Er zog unruhige Geister an. Weiter hinten verschmolz er mit der Grauzone der Ketzerei, aber die hübschen Damen hier wagten sich nicht weit in sein Wasser; sie übten ihren Verstand auf die einzige ihnen erlaubte Art. Wie öde muss es sein, eine Frau zu sein, dachte ich, als ich mich unter ihnen umschaute. So wenig Raum zu haben, sich zu strecken und zu dehnen. Kein Wunder, dass sie solchen Gefallen am Protestantismus fanden. Er war ein unbekanntes Meer, in das sie tief eintauchen konnten und wo sie den Überschwang kosten konnten, der ihrem Geschlecht für gewöhnlich verwehrt war.
»Nun, Madam Katherine«, redete ich die Witwe Parr an, »es freut mich, dass
Weitere Kostenlose Bücher