Ich, Heinrich VIII.
ihre Körbe in der Vorratskammer damit füllen und so viele mitnehmen, wie sie tragen konnten; Ale-Fasser mussten alle zwei Stunden gefüllt werden, und niemand zählte die Krüge, die fortgetragen wurden. Kleine Orchester mit Violen, Flöten und Fiedeln streiften durch Galerien und Korridore und spielten, was ihnen einfiel oder was jemand verlangte. Maria, Elisabeth und Edward baten, sich den Musikanten anschließen zu dürfen, und ich erlaubte es ihnen mit Freuden. Meine drei Kinder liebten die Musik und waren begabt. Maria entschied sich für die Drehleier und spielte in einem Konsortium, das in der Großen Halle stand. Elisabeth verkleidete sich als Knabe und spielte die Flöte mit einer Schar »Italiener«. Edward, der zumindest trommeln konnte, schloss sich als Begleiter einem Kinderchor an.
Am dreiundzwanzigsten Dezember rief ich die drei zu mir zu einem besonderen Gespräch. Es sollte im Ratszimmer stattfinden, einem behaglichen, eichenholzgetäfelten Raum an der oberen Galerie.
Elisabeth kam als Erste; sie war allein, ohne ihre Kinderfrau, Mrs. Ashley. Ich machte ihr ein Kompliment: Sie sah höchst geschäftsmäßig aus in ihrem schlichten braunen Kleid, das leuchtend rote Haar zurückgebunden und unter einer Haube verborgen – ein lebhaftes Mädchen von sieben Jahren. Sie trug eine Feder und eine Mappe mit Papier bei sich. Maria traf gleich nach ihr ein; sie entschuldigte sich für ihre leichte Verspätung. Edward, rund und rosig in seinem blausamtenen Anzug, wurde von seiner Kinderfrau hereingetragen. Er war jetzt drei Jahre alt.
»Nun setzt euch alle«, sagte ich glücklich. Schon als ich sie alle nur vor mir sah – meine Kinder! –, tat mein Herz vor Stolz einen großen Satz. »Ich brauche eure wertvolle Meinung zu den Spielen, die am Weihnachtsabend gespielt werden sollen.«
Maria und Elisabeth machten ein enttäuschtes Gesicht. Hatten sie vielleicht erwartet, dass ich mit ihnen über das Parlament sprechen wollte?
»Ich spiele keine Spiele«, sagte Maria leise.
»Doch, tust du doch«, widersprach Elisabeth. »Du liebst Karten, und du wettest.«
Sie wettete? Maria eine Glücksspielerin? Das hatte ich nicht gewusst.
»Deshalb hat sie nie Geld«, fuhr Elisabeth fort. »Nur Schulden bei mir.«
Maria runzelte die Stirn. »Nie wieder werde ich etwas von dir borgen«, brummte sie. »Sobald ich zurückgezahlt habe, was …«
»Das dürfte vor Weihnachten kaum geschehen, denn sonst könntest du während der ganzen zwölf Tage nicht spielen, und das, wo so viele interessante Spieler aus dem ganzen Reich hier sind. Das gelingt dir niemals«, weissagte Elisabeth strahlend.
Maria zuckte die Achseln.
»Du würfelst und wettest also?«, neckte ich sie. »Das hätte man nie vermutet, bei deiner düsteren Kleidung. Maria, mir zuliebe: Trage an diesem Weihnachtsfest nicht nur Purpur und Schwarz. Du siehst aus wie eine alte Jungfer.«
Sie erstarrte, und Elisabeth warf mir einen Blick zu. Maria war sich ihrer Ehelosigkeit bewusst, und ihre Angst, womöglich niemals verheiratet zu werden, war größer, als mir klar gewesen war. Sie war vierundzwanzig und galt international als Bankert. Kein protestantischer Fürst wollte sie haben, und kein Katholik würde sie nehmen, ohne damit Katharina von Aragon als meine Ehefrau anzuerkennen. Vielleicht sollte ich einen englischen Aristokraten veranlassen, sie zu heiraten. Ja, ich musste mich darum kümmern.
»Ich werde ein scharlachrotes Kleid für dich bestellen«, versprach ich. »Noch heute Vormittag kann die Näherin Maß nehmen, und wenn sie die ganze Nacht arbeitet – ja, am Weihnachtsabend sollst du ganz in Rot gekleidet sein.«
Sie lächelte gepresst. In Wahrheit konnte sie gar nicht lächeln. Sie war nicht hässlich, aber ihr Benehmen würde die Männer nicht anziehen. Ich seufzte. Ihre Mutter war ansprechender gewesen, weiblicher, zumindest im Alter von vierundzwanzig Jahren. Wie würde Maria mit fünfzig sein?
»Welche Spiele schlagt Ihr für den Hof vor, Vater?«, erkundigte Elisabeth sich forsch.
»Würfel- und Brettspiele werden für einige Beschäftigung genug sein. Aber für die anderen – für diejenigen, denen an lebhaftem Treiben gelegen ist – brauchen wir andere Zerstreuung.« Ich musterte sie, während ich so tat, als dächte ich über Spiele nach. Nicht hübsch. Aber gewitzt. Und gewitzt genug, es zu verbergen. Und herausfordernd. Aufregend. Genau wie … ihre Mutter. Die scharfen, abschätzenden Augen. Flinke, schlanke
Weitere Kostenlose Bücher