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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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zuhörte, spürte ich, dass sie ihr Herz gegen mich verhärtet hatte.

    Die herbstlichen Regenfälle setzten ein, und farblos erstreckte sich der Himmel bis hinauf nach Schottland. Während ich meinen Neffen und sein Gefolge erwartete, verbrachte ich meine Zeit damit, mir Beschwerden gegen die Krone anzuhören, wie ich es versprochen hatte; es durfte jedermann zu mir kommen, der »zu seinem Verdruss keine Gerechtigkeit erhalten« hatte. Es war eine stattliche Zahl, und allen ging es um Geld, in der einen oder anderen Form. Ich stellte einen beispiellosen Mangel an religiösen Beschwerden fest.
    Ein Bürger erklärte, er spreche für viele in seinem Protest gegen schottische Übergriffe an der Grenze.
    »Sie stoßen auf uns herab, berauben uns und nehmen unser Vieh. Wir müssen uns in die Pahltürme flüchten. Das ist für uns schön und gut, denn es rettet uns das Leben; aber wenn wir ohne Gefahr wieder herauskommen können, finden wir unsere Hütten geplündert und unser Vieh gestohlen.«
    »Pahltürme?«, fragte ich.
    »Auf der Reise hierher habt Ihr zweifellos welche gesehen«, erklärte der Vorsitzende des Rates. »Es sind kleine, viereckige Türme, die man im ersten Stockwerk betritt. Unser Volk hat sie gebaut, um vor den Raubzügen der Normannen Schutz zu finden. Heutzutage braucht man sie mehr denn je – wegen der Schotten.« Er schüttelte den Kopf.
    »Sag mir, diese Schotten – sind es die wilden Männer, die aus den Bergen kommen?« (Wie MacDonalds Vater, der gerade erst zivilisiert wurde.)
    »Nein«, antwortete der Bauer. »Es ist der Abschaum aus dem Grenzland. Eine Bande von Räubern und Mördern. Sie haben nichts Romantisches an sich, abgesehen von ihrer Musik und ihren Gedichten, mit denen sie ihre Blutfehden feiern.«
    »Ihre Gedichte!«, rief der Vorsitzende. »Von denen bekommt man eine Gänsehaut. Sie wissen auf das Vorzüglichste mit Worten umzugehen.«
    »Wie können sie eine empfindsame Sprache sprechen und zugleich so blutrünstig sein?«, fragte ich. »Wie weit dehnen sie ihre Raubzüge aus?«
    »Sie haben den Römerwall besetzt. Die Armstrongs haben ihren Unterschlupf dort in einer römischen Festung, in Housesteads. Auf ihren Raubzügen kommen sie bis Alnwick und Penrith herunter.«
    »Zwanzig Meilen und mehr.« Der Bauer nickte. »Es sind aber nicht bloß die Armstrongs. Es sind auch die Maxwells, die Grahams, die Scotts – ein zwiefach genähter Name, nicht wahr?«
    »Sie sind gerissen, die Schotten, und grausam. Es gibt nur noch eines, das ihnen genauso gut gefällt wie ein gut geschmiedeter Vers oder der Anblick von Blut, das ihre Arme bis zu den Ellbogen bedeckt: das Gefühl von Geld in ihren Börsen. So haben sie einen Weg gefunden, diese beiden Freuden miteinander zu verschmelzen. Sie erpressen uns, nehmen uns ›Black Mail‹ ab und verschonen uns dafür mit ihrem Terror.«
    »›Mail‹?« Ich verstand nicht.
    »Ein schottisches Wort; es bedeutet ›Miete‹. Der Name passt: schwarze Miete. Man muss ihnen Geld dafür geben, dass man in Frieden auf seinem eigenen Besitz leben darf. Und wie immer man sich entscheidet, sie haben ihr Vergnügen. Man bezahlt, und sie spüren Geld zwischen den Fingern. Man weigert sich, und sie können Blut vergießen. Und nachher schöne Gedichte darüber schreiben.«
    Dem würde ich ein Ende machen. Mochte Norfolk seinen Spaß mit diesen Hunden haben. »Ich werde diese Bestien vernichten«, versprach ich. Ich würde die Angelegenheit auch meinem Neffen, dem schottischen König, vortragen; er sollte seine Untertanen zähmen, oder ich würde es für ihn tun.
    Aber es kam keine Nachricht von James V. Am sechsten Tag konnte kein Zweifel mehr bestehen: Er hatte nicht die Absicht, meine feierliche Einladung anzunehmen oder wenigstens die Gründe für sein Nichterscheinen darzulegen.
    Theorien entstanden: »Er wagt nicht, Schottland zu verlassen, weil in seiner Abwesenheit der Graf von Arran den Thron besteigen könnte.« (Die Schotten waren in wütendem Parteienstreit und Hader gespalten.) »Er glaubt, dies sei eine List, und man wolle ihn gefangen nehmen.« (Also misstraute er mir – seinem eigenen Onkel?) »Er will seine französischen Verbündeten nicht ärgern, indem er mit den Engländern gemeinsame Sache macht.« (Absurd. Feinde können doch miteinander reden, ohne gemeinsame Sache zu machen, und zivilisierte Feinde tun es auch immer.)
    Was immer seine dunklen Gründe sein mochten, er hielt es nicht für angebracht, mich in York zu treffen, und er

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