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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Sicherungsvorkehrungen zu erläutern. Sie bedeckte mich mit Küssen und beteuerte, dass auch sie von Schlaflosigkeit geplagt gewesen sei und sich über einen Besuch von mir gefreut hätte. Nichts sonst könne sie wirklich beruhigen oder ihr die Angst nehmen. Es verdrieße sie, dass ich das Ausmaß ihrer kindischen Angst vor den Schotten entdeckt hätte. Ich versicherte ihr, dass ich es gut verstehen könne und dass ich sie ebenso sehr liebte wie früher und dass ich wegen ihrer Vorsicht nun nicht schlechter von ihr dächte.

    Es war zu Ende. Ich beschloss, nicht länger auf den schottischen König zu warten. Neun Tage waren genug. Aber ich würde Rache üben, wenn es mir gefiel.
    Die Reise nach Süden – auf dem gleichen Weg, auf dem wir gekommen waren – verlief ungestört. Ich nahm die Gelegenheit wahr und besuchte Hull an dem mächtigen Flusse Humber, um dort meine Befestigungsanlagen zu besichtigen. Ich hatte viele Stunden über den Plänen für den Bau einer neuartigen Burg verbracht, die zwei schon bestehende Blockhäuser miteinander verbinden sollte, und dann ebenso viel Zeit darauf verwandt, das nötige Geld aufzutreiben. Jetzt wollte ich die fertige Festung sehen. Ich fand es erregend, Pläne zu Papier zu bringen und sie dann in Stein und Eisen Wirklichkeit werden zu sehen. Das Rüsten zum Kriege war eine sehr befriedigende Sache, erregend und erfüllend zugleich.
    Als wir fast einen Monat später in Windsor eintrafen, bereitete man uns ein unangenehmes Willkommen. Edward war krank, all meinen Vorsichtsmaßnahmen zum Trotz. Er litt an quartrain ague, und die Ärzte hielten ihn für so »fett und ungesund«, wie sie sich ausdrückten, dass sie sein Leben gefährdet sahen.
    Ich schickte den größten Teil der Höflinge und Ratsherren nach Hause. Die »Große Reise« war zu Ende, denn Windsor war unsere letzte Station. Abschlussbankette und Reden waren geplant gewesen, aber derlei war überflüssig; wir alle hatten einander nun lange genug genossen.
    Dann stand ich vor Edwards großem, geschnitztem Bett und fragte mich im Stillen: »Warum? Warum? Warum?« Er war in der Tat fett; er sah aus wie ein Butterkloß, und seine Gesichtsfarbe war mandelweiß mit roten Flecken. Hatte er denn keine Bewegung? Spielte er niemals im Freien? Hatten diese Narren von Ärzten ihm jede natürliche Bewegung geraubt, um ihn zu »schützen«? Er sah aus wie eine jener Gänse, die die Bauern festbinden, um ihre Leber fett zu mästen.
    »Öffnet die Fenster hier!«, bellte ich. Die Luft in der Kammer war so faulig, dass ich husten musste. Schon als eines der Fenster geöffnet worden war, wehte die kühle Herbstluft mit unverhoffter Frische herein und vertrieb den Gestank. »Gebt ihm die nötige Medizin«, befahl ich. »Achtet gut auf ihn. Aber wenn diese Krise vorüber ist, behandelt ihn wie einen Prinzen, nicht wie eine Königswitwe. Ihr habt Recht: Er ist wahrhaftig zu fett und ungesund. Aber das ist Eure Schuld, nicht seine!«
    Ich polterte am lautesten, wenn meine Angst am größten war.
    Gott war mit Edward, und einen Tag später begann er zu genesen. Das Fieber sank, und seine Gesichtsfarbe kräftigte sich. Er wurde unruhig und sträubte sich dagegen, weiter ans Bett gefesselt zu sein – ein sicheres Zeichen wiederkehrender Gesundheit. Nachdem ich jeden, der seine Umgebung verunreinigte, entfernt hatte, ließ ich ihn in Windsor zurück und ritt nach Hampton Court. Dort wäre auch für mich die Reise zu Ende.

CVII
    E dward blieb am Leben. Die Untertanen im Norden waren loyal, und die Staatsreise war erfolgreich gewesen. Catherine stillte die schmerzliche Sehnsucht des Reiches nach einer wahren Königin. Ich fühlte die Hand Gottes auf mir; sie ruhte auf meinem Kopf, wie um zu sagen: »Gut gemacht, du mein guter und getreuer Diener.«
    Am Tage vor Allerheiligen gebot ich meinem Beichtvater, dem Bischof von Lincoln, in meinem Namen eine Messe zu feiern und öffentlich dankzusagen für das gute Leben, das ich führte und mit meiner Königin Catherine weiter zu führen hoffte, nachdem ich durch andere Ehen mancherlei Besorgnis durchlebt hatte. Das tat er auch, und als ich ihn mit seidiger Stimme die entsprechenden Worte sagen hörte, erfüllte mich dies mit einem Gefühl des Friedens und der Erfüllung, wie ich es niemals geglaubt hatte erreichen zu können.
    Ich empfing das heilige Brot, das Wort, das Fleisch geworden – und als ich wieder zu meiner Kniebank zurückkehrte, verlor ich alles Zeitgefühl. Als ich mich wieder

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