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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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erweckt hatte. In der Tat boten sie einen eindrucksvollen Anblick: Sie waren ein Plädoyer für Schönheit und Ordnung des Alten Glaubens.
    Reine Sentimentalität, das alles. Zu Lebzeiten hatten sie niemals diese heitere, gelassene Anmut besessen, die jetzt ihrem Verfall innewohnte. Unter den verschwundenen Dächern hatte das Böse in all seinen Formen geblüht.
    Während der ganzen Reise hierher hatte ich nicht einen einzigen der »armen Mönche« zu Gesicht bekommen, um die man so viel Aufhebens machte und die angeblich ein großes Problem für die Gegend darstellten. Diese heimatlosen Mönche und Ordensbrüder durchstreiften, so hieß es, das ganze Königreich, fraßen wie die Heuschrecken, was immer sie fanden, und brachten überall nur Unruhe.

    York, endlich. Die Stadt ragte vor uns auf, sehr groß, und es war leicht einzusehen, warum sie den Norden ebenso beherrschte wie London den Süden. Dies war ein Königreich für sich, und ich verstand jetzt, warum dieser Ort für Wolsey der Verbannung in ein anderes Land gleichkam.
    Wir hatten eine ehemalige Abtei jetzt einem guten Zweck zugeführt: Sie würde dem Hofe Behausung geben. Wir würden in den Mauern der Priorei wohnen, wieder aufgebaut und zu einer königlichen Residenz umgewandelt. Zweihundert goldene Zelte sollten außerdem zwischen den Ruinen aufgeschlagen werden, sodass alle bequem untergebracht werden konnten.
    Der Lord Vorsitzende im Rate des Nordens hatte bekannt gemacht, dass es meine Absicht sei, jeden anzuhören, der eine Beschwerde gegen die Krone vorzubringen hätte, und er versicherte mir, dass viele auf diese Bekanntmachung eingegangen seien und nun der Gelegenheit zum Reden harrten. Was den Empfang der Königstreuen und den feierlichen Bußgottesdienst für die Verräter angehe, so sei alles vorbereitet. Er schwatzte und schwatzte, bis ich mich genötigt sah, unverblümt zu fragen: »Und der schottische König? Wann soll er kommen? Ich hoffe, St. Marien ist bereit?«
    »Die Abtei ist bereit, Eure Majestät. Die Handwerker haben die notwendigen Reparaturen und Verschönerungsarbeiten beendet. Sie glänzt wieder!«
    Ich war erfreut. So würden sie sehen, dass ich ebenso gut aufbauen wie niederreißen konnte. »Unser Neffe wird gebührend empfangen werden. Wann kommt er?«
    »Er – er hat uns nichts mitgeteilt.«
    »Noch nicht? Aber wir sind ja selbst zu spät gekommen. Der Zeitpunkt, den ich eigentlich vorgeschlagen hatte, ist schon vorüber. Gibt es keine Briefe? Keine Botschaften?«
    »Nein, Eure Majestät.«
    James musste unterwegs sein. Nur das konnte sein Schweigen entschuldigen.
    »Nun gut«, sagte ich lahm. »Ich werde ihn erwarten. Unterdessen muss die Zeremonie zur Unterscheidung zwischen Verrätern und getreuen Untertanen vollzogen werden.« Darauf freute ich mich nicht, aber es war ein notwendiger Bestandteil staatsmännischen Handelns, dass dergleichen feierlich inszeniert wurde.
    Am nächsten Tag wurden diejenigen Männer aus der Gegend, die während aller Unruhen und Aufstände mir gegenüber loyal geblieben waren, in der Großen Halle des bischöflichen Palastes empfangen und mit großzügigen Gnadenerweisen belohnt. Die übrigen, die sich schwankend gezeigt oder gar mit den Pilgern sympathisiert hatten, wurden in einer anderen, ziemlich schäbigen Kammer versammelt, wo man sie anwies, auf die Knie zu fallen und sich dann flach auf den Boden zu werfen. Einstimmig erklärten sie sodann: »Wir Elenden haben aus Mangel an Anstand und ehrlicher, reiner Kenntnis der Wahrheit der Worte Gottes Eure Majestät in betrüblicher, scheußlicher und mutwilliger Weise beleidigt, und zwar mit den unnatürlichen und überaus abscheulichen wie verachtungswürdigen Verbrechen des empörenden Ungehorsams und der verräterischen Rebellion.«
    Ich ließ sie liegen, schändliche Kreaturen, die sie waren. Wie viele Stunden banger Besorgnis hatte ich ihretwegen durchleiden müssen, als sie nichts als eine namenlose, formlose Bedrohung gewesen waren, weit außerhalb meiner Reichweite? Dieses Gezücht war es, was uns im Süden Albträume bereitete.
    Catherine stand neben mir und schaute unbehaglich drein. Sie konnte die tiefgründigen Implikationen nicht begreifen. Sie sah nur einen Raum voll kriechender Männer, und ihr weiches Herz brachte es mit sich, dass sie quälendes Mitleid mit ihnen empfand.
    Ich wollte ihre Hand ergreifen, doch sie zuckte zurück.
    Als wir später beim Abendessen saßen, wollte ich es ihr erklären. Aber obgleich sie anscheinend

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