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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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kaum haben kennen lernen können. Kommt näher, Monsieur, dass ich Euch anschauen kann.« Ich betrachtete sein Gesicht, sein Gewand. Er sah kräftig und gelassen aus, so viel konnte ich erkennen. Ein Mann von der Sorte, gegen die ich vergebens anrennen würde. Ebenso gut hätte man eine meiner neuen Festungen bei der Insel Wight angreifen können – ich hatte sie nach meinen Entwürfen bauen lassen, massiv, rund, unzugänglich und ganz modern, das heißt, für Geschützverteidigung und Kanonenstrategie. Sie hatten nichts Romantisches, nichts Ritterliches an sich. Dieser Franzose auch nicht.
    »Wie geht es meinem Bruder Franz?«, fragte ich rasch.
    »Nicht gut, fürchte ich«, antwortete er. »Er ist bestürzt über den Schmerz, der Eure Majestät heimgesucht hat.«
    Ja, ich hatte seinen »Kondolenzbrief« erhalten; es hatte darin geheißen: »Die Leichtfertigkeit der Weiber berührt nicht die Ehre der Männer.« Ich wusste nicht, ob dies als ein Ausdruck des Mitgefühls oder als Spott zu verstehen sei.
    »Mmmmm.« Ich grunzte. In meinem Kopf pochte es immer noch. Wann würde die Wirkung des Sirups endlich einsetzen?
    »Als Ihr ihn verließt, welche Anweisung gab er Euch da? Sollt Ihr mich als seinen Freund umwerben, oder sollt Ihr wie ein Stachelschwein die Borsten wider mich sträuben?« So – das würde ihn aufschrecken, sodass er die Wahrheit heraushustete.
    »Ich – das heißt, er …«
    Ich hatte mich nicht geirrt. Meine raubeinige englische Rede hatte ihn aus dem Gleichgewicht gebracht.
    »Als ich Frankreich verließ, war er distanziert gegen Euch. Aber das war vor – es war vor dem Missgeschick Eurer Majestät …«
    »Lüge!« Ich sprang auf und schlug mit der Faust auf die Armlehne meines Thrones. »Es war vor seinem Zank mit seinem Schatz, dem Kaiser!« Ich fuhr herum und funkelte ihn an. »Ist es nicht so, Knabe?«
    Es war pures Theater. Chapuys hätte seinen Spaß gehabt. Dieser Grünschnabel hier runzelte die Stirn und tat dann genau das, was ich erhofft hatte: Er sprudelte die Wahrheit hervor. »Die Beziehungen haben sich abgekühlt, da der Kaiser nicht zu erkennen vermochte …«
    »Ah! Ja! Der Kaiser vermag nie, zu erkennen. Er vermag nicht einmal die Nase in der Mitte seines Gesichtes zu erkennen, he? Wie?«
    Marillac wich zurück. »Eure Majestät?«
    »Euer Herr ist ein Tor«, sagte ich gelassen, schwang meinen Mantel herum und ließ mich auf meinen Sitz gleiten. »Er weiß, er wird gegen mich zu Felde ziehen müssen. Will er Zeit schinden? Ist es das, was er vorhat? Will er mich mit Torheiten ködern, wie mit seinem Geld und seiner Unterstützung für die Schotten, die er gegen mich aufstacheln will? Glaubt er, ich weiß nicht, wer James daran gehindert hat, sich mit mir in York zu treffen? Glaubt er, ich werde diese Beleidigung vergessen? Ja? Was glaubt er?«
    Marillac starrte mich an.
    »Könnt Ihr nicht für ihn sprechen? Was für ein Botschafter seid Ihr denn? Habt Ihr keine Vertretungsvollmacht? Wie? Habt Ihr keine schriftliche Unterweisung erhalten?«
    Er war jämmerlich. Es lohnte sich nicht, mich an ihm zu reiben. Das war kein Sport. Es war Grausamkeit.
    »Sagt mir«, forderte ich ihn schließlich auf, »ist Franz bei guter Gesundheit oder nicht?« Ich bemühte mich, sanft und entwaffnend zu klingen.
    »Jawohl, das ist er«, antwortete Marillac hochmütig.
    Lügner. Ich wusste, dass Franz von den Großen Pocken verzehrt wurde und dass die Krankheit ihren letzten, tödlichen Angriff auf seinen Verstand einleitete.
    »Ich bin Euch dankbar für Eure Aufrichtigkeit.« Ich lächelte. »So ist Franz zwiefach gesegnet: durch seine Gesundheit und durch seinen treuen Vertreter. Ihr mögt meinem Bruder in Frankreich sagen …« Ich hatte eine glattzüngige Bemerkung bei der Hand gehabt, aber was aus meinem Munde kam, war: »Ich hoffe, wir treffen uns noch einmal auf der Ebene von Ardes. Ja, wenn er will, komme ich auch noch einmal ins Val d’Or. Ohne Fantasieschlösser diesmal, ohne Turniere; nur … Franz und ich. Werdet Ihr ihm das schreiben?«
    »Noch heute Abend, Eure Majestät.« Der Franzose verbeugte sich tief.
    Was er am Abend schrieb, war: »Ich habe es hier mit dem gefährlichsten und grausamsten Mann der Welt zu tun.« Dieser heimtückische Franzose! (Und woher wusste ich das? Ich hatte mir Cromwells Erbe zunutze gemacht, seine Spione und seine Geheimpolizei. Sie leisteten mir gute Dienste. Ich hätte sie selbst nicht aufgestellt, aber da es sie schon einmal gab … Ich hatte sie

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