Ich, Heinrich VIII.
ausnutzen können.«
»Wer genau sind diese feindlichen Schotten? Immer wieder höre ich, dass man sie beschwört wie einen Zauber. Es gibt Tieflandschotten und Hochlandschotten und Klanshäuptlinge und Lords von den Westlichen Inseln. Was für ein Land ist denn das?«
»Ein zerrissenes, unglückliches Land, Eure Majestät. Die Hochlandschotten, wie Ihr sie nennt, sind große Familien, denen bestimmte Gebiete gehören, und das seit undenklichen Zeiten. Sie wohnen in kleinen Tälern und Glens und wollen vor allem, dass man sie in Ruhe lässt. Mit den Grenzlandschotten ist es eine ganz andere Sache. Sie sind Banditen und Erpresser, und sie verraten die Engländer an die Schotten und umgekehrt. Die auf den Inseln – ah, das ist noch einmal etwas anderes. Sie sind teilweise normannisch; die Nordmänner haben dort gesiedelt, und sie betrachten sich nicht als Teil irgendeines Landes. Sie leben auf unfruchtbaren, kalten Felsen draußen im Irischen Meer und behaupten, Christen zu sein, aber …« Er spreizte die Hände, als wolle er sagen: Wie können sie das?
Ich hatte MacDonald bei mir, den Sohn des Klanshäuptlings von der Insel Rum, aber nach dem, was dieser Mann hier sagte, hätte ich ebenso gut den Wind als Geisel festhalten können. »Wie kommt es, dass ein so wirres Land sich einen Botschafter erwählen kann? Was und wen vertritt denn der?«
»Ich bin ein Cousin König James’, wenn auch von der falschen Seite des Bettes. Ich weiß, was er denkt.«
»Denkt er denn etwas?«, herrschte ich ihn an. »Und ist es vernünftig? Ihr wusstet, was er dachte, als Ihr von Edinburgh abreistet. Wisst Ihr es jetzt auch noch?«
»Ich glaube ja. Ich weiß, wie er denkt.«
»In welchen Windungen, meint Ihr. Nun, in welchen Windungen denkt er über mich, seinen englischen Bruder, seinen Onkel?«
»Er wünscht Frieden.«
Ich unterdrückte ein Lachen. Diese abgewetzte alte Phrase! Ebenso gut hätte man ein Avemaria sagen können; es bedeutete das Gleiche, wenn es darauf ankam. »Ich weiß einen Weg zum Frieden«, erklärte ich. »Man muss die beiden Länder vereinigen. Es ist unnatürlich, dass es auf einer Insel zwei Reiche geben soll. Wir wollen uns zusammenschließen. Erst durch eine Heirat. Dann sollen die beiden Parlamente vereint werden …«
»Mit einer Heirat hat man es bereits versucht, Eure Majestät. Prinzessin Margaret Tudor von England und König James IV . von Schottland, im Jahre 1503.«
»Dass es gescheitert ist, lag an den beteiligten Personen. Meine Schwester Margaret war« – sie war geil, kurzsichtig und fantasielos – »der hehren Berufung, die vor ihr lag, nicht gewachsen. Sie war ja noch ein Kind, als sie nach Schottland kam.« Und mit dreiundfünfzig war sie immer noch ein Kind. »Wie geht es ihr eigentlich?«, fragte ich.
Er machte ein bestürztes Gesicht. Margaret war eine Peinlichkeit. Im Stich gelassen von ihrer Wollust, ihrem Ungestüm … sie war ausgebrannt, und niemand wollte sie mehr. Sie hatte viele gleichgültige Vormünder. Selbst ihrem Sohn war sie eine Last – wie ein altes Haustier, das die Teppiche beschmutzte und den ganzen Tag in der Sonne schlief, während seine Besitzer darauf warten, dass es stirbt.
»Sie ist … in der Genesung begriffen. Auf Schloss Methven. Sie hatte ein – ein – irgendetwas im Kopf.«
»Und ihr Gemahl – ihr so genannter Gemahl – Lord Methven?« Vor dreizehn Jahren hatte sie sich von Angus scheiden lassen, um ihn zu heiraten, und jetzt wollte sie sich von ihm scheiden lassen, um sich noch einmal mit Angus zu vermählen. Törichtes, lüsternes Weib!
»Er ist … daheim geblieben, in Stirling.«
»Die Wahrheit ist: Er hat sie verlassen«, versetzte ich brüsk. »Er hat Wichtigeres zu tun, als sich um ein sterbendes, machtloses altes Weib zu kümmern.« Ich schnippte mit den Fingern. Die Aufmerksamkeit des Schotten schweifte ab.
»Sie ist Eure Schwester«, wandte er ein.
»Aye. Meine ältere Schwester. Nun, ich sprach von einer Heirat zwischen England und Schottland, der gelingen würde, was das Experiment meines Vaters nicht vermochte.«
»Eure Schwester«, wiederholte er beharrlich.
»Ja, was – soll ich um sie trauern? Ich schrieb ihr 1528, im Jahr des Schweißfiebers, als ich von ihrem törichten Entschluss erfuhr, sich von Angus scheiden zu lassen, um diesen Gecken Methven zu heiraten. Hörte sie etwa auf mich? Nein! Ist es ein Wunder, dass es so mit ihr gekommen ist?« Margaret war dumm. Ich hasste die Dummheit. Jede Sünde, jede
Weitere Kostenlose Bücher