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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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nützlich gefunden, und indem ich sie selbst benutzte, verhinderte ich, dass andere sich ihrer gegen mich bedienten.)
    Spitzel. Es hatte immer schon Spitzel gegeben. Julius Cäsar hatte welche, heißt es … wenngleich sie einzigartige Taugenichtse gewesen sein müssen, wenn sie ihn nicht vor dem drohenden Attentat warnten. Spitzel, so denke ich, waren notwendig zur Führung eines Staates. Aber der bloße Gedanke, die einfache Tatsache ihrer Notwendigkeit, missfiel mir.
    Ich zog es vor zu glauben, ich könne im Gesicht eines Menschen lesen, könne mir ganz allein ein Bild von ihm machen. Ich hatte gemerkt, dass der französische Botschafter log. Es war eigentlich nicht mehr nötig, dass man seine Briefe ausspionierte, abschrieb und mir vorlegte. Es war erniedrigend für ihn, und meinen Erkenntnissen fügte es nichts Entscheidendes hinzu. Aber diese neuen Zeiten erforderten solche Umtriebe wie selbstverständlich.
    Mein Kopf dröhnte immer noch, der smaragdene Sirup hatte wenig getan, um die Beschwerden zu vertreiben. Offenbar hatte ich nicht genug genommen. Ich goss mir noch ein wenig in meinen Arzneibecher und schluckte es hinunter.
    Es war nur noch ein winziger Schluck gewesen, doch innerhalb weniger Minuten fühlte ich mich von allen Symptomen befreit. Wieso kann eine geringe zusätzliche Dosis solche Wirkung haben? Es gibt für die Ärzte noch so viel zu erforschen.
    Um vier Uhr war der schottische Gesandte an der Reihe, mich zu besuchen. Ich lehnte mich zurück und zog die lange Chronik all unserer Beziehungen hervor; sie reichte zurück bis zu den Verhandlungen meines Vaters mit James iii., in denen die Vermählung meiner Schwester in die Wege geleitet worden war. Es war eine hässliche Geschichte von Verrat und Misstrauen auf beiden Seiten. Warum hatten sich die Schotten so unbeirrbar gegen uns gestellt? Wir waren ihre Nachbarn, wir lebten zusammen auf einer Insel. Aber sie zogen es vor, sich mit Frankreich zu verbünden. Als wir 1513 in Frankreich kämpften, fielen sie uns in den Rücken. Als ich auf dem Kontinent auf Brautschau gegangen war, hatte James V. einen Wettbewerb daraus gemacht und mir Marie de Guise vor der Nase weggeschnappt. Und dann die Kleinigkeit, dass er mich in York versetzt hatte.
    »Der Graf von Arbroath«, meldete der Page. Ich richtete mich gerade noch rechtzeitig auf, als der schmucke Graf hereingeschritten kam, als besuche er alle Tage den König von England.
    Er trug sein formelles schottisches Gewand: Zahllose wirbelnde Ellen von buntem schottischen Wollstoff, einen Dolch im Strumpf, eine dicke, ziselierte Silberbrosche, die eine Art Schärpe hielt.
    Dolche waren in meiner Gegenwart verboten, seit der Herzog von Buckingham einen Anschlag auf mein Leben unternommen hatte. Ich nickte der königlichen Garde zu, und sie entfernten ihn feierlich.
    »Vertretet Ihr hier wirklich Schottland, Robert Stuart?«, erkundigte ich mich. »Gibt es überhaupt ein Schottland, das Ihr vertreten könntet?« Das war die eigentliche Frage.
    »Soweit es in der Macht eines Menschen steht, dieses glorreiche Land zu vertreten, tue ich dies.« Seine Stimme hallte von den Deckenfriesen wider.
    »Dann habt Ihr viele Fragen zu beantworten, Fragen, die mich manch schlaflose Stunde gekostet haben.« Ich winkte ihm, näher zu kommen. »Was bedeutet der Tartan, den Ihr da tragt?« Es war eine ziemlich angenehme Verflechtung von Farben und Mustern. Wenig kunstvoll, aber dem Auge gefällig. »Ich sehe, dass es Weiß enthält. Liegt darin eine besondere Bedeutung?« Ich war neugierig.
    Sein breiter Fischmund öffnete sich zu einem Lächeln. »Weiß tragen wir zu gesellschaftlichen Anlässen; es wird in das Tuch hineingewoben. Es bedeutet, dass wir nicht rau reiten werden, solange wir es tragen. Beim Reiten würde es mit Schlamm bespritzt.«
    Wie primitiv! Wie simpel! Dunkle Farben zum Reiten. Ein weißer Streifen besagte: »Wir werden nicht reiten; alles wird im Hause stattfinden, sauber sein – auf mein Ehrenwort!«
    »Aye. Ich verstehe. Aber jetzt sollt Ihr mir Fragen über Euren Herrn beantworten, die mich seit einer Weile plagen. Der schottische König hat sich geweigert, in York mit mir zusammenzutreffen, und ich weiß nicht, was er sich dabei gedacht hat. Ich habe keinerlei Kunde von ihm.«
    »Er fürchtete, entführt zu werden.«
    »Hält er so wenig von meinem Wort?«
    »Er dachte dabei nicht an Eure Majestät, sondern an andere, feindliche Schotten, die gegen ihn sind und die seine Abwesenheit hätten

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