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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Ich konnte sie als jenes junge Mädchen sehen, das auf die Reise nach England ging – und ich wollte ihr dienen.«
    »Das habt Ihr auch getan.« Ich ließ ihn los, den knochigen alten Mann. »Ihr habt in ihr noch jene Prinzessin gesehen, als sie in den Augen aller längst die Witwe war. Nun …« Ich schloss die Augen und hieß die Bilder gehen. »Wir alle brauchen jemanden, der für uns eintritt.« Ich hatte niemanden, aber das brauchte keiner zu wissen. »Euer Herr, der Kaiser – glaubt Ihr, er wird der päpstlichen Bulle gegen mich zur Geltung verhelfen? Dem Ruf zum Heiligen Krieg Folge leisten?«
    »Ihr und ich, wir wissen beide, wenn er sich um seiner Tante willen nicht erhoben hat, wird er sich auch jetzt nicht rühren. Wenn er in letzter Zeit frommer und religiöser geworden ist, dann liegt das an dem Aufruhr in Deutschland und in den Niederlanden. Der Protestantismus dort … gegen ihn wird er zu Felde ziehen, nicht gegen den englischen. Ihr seid ganz sicher vor dem Kaiser«, gestand er. »Aber bitte verratet ihm nicht, dass ich das gesagt habe.«
    Ich umarmte ihn noch einmal. »Natürlich nicht.«
    »Eines noch, Eure Majestät.« Chapuys lehnte sich zurück. »Die Prinzessin Maria. Wird sie bald heiraten?«
    »Ich wüsste nicht, wie. Solange die Franzosen und der Kaiser nicht einsehen, wie wichtig ein Bündnis …«
    »Sie ist betrübt. Sie braucht einen Ehemann. Ich spreche als Freund, nicht als Botschafter oder als einer, der sich mit ihr verschworen hat. Sie ist sechsundzwanzig Jahre alt, Euer Gnaden, und kein Kind mehr; bald werden die Jahre vorüber sein, da sie hätte gebären können. Oh, habt Erbarmen mit ihr!«
    Ich war erstaunt über diesen Ausbruch. »Aber mit wem soll ich sie verheiraten? Ein Prinz von …«
    »Mit einem Herzog, einem Grafen, irgendjemandem! Auf seinen orthodoxen Glauben kommt es nicht an! Seht sie einmal nur als eine Frau, eine Frau, die verzweifelt Mann und Kinder braucht! Mein Herr, der Kaiser, wäre erzürnt, wenn er mich so reden hörte. Aber wenn Ihr sie geliebt habt, als sie ein Kind war … Euer Gnaden, ihre Bedürfnisse sind heute nicht geringer! Nur Ihr könnt sie davon befreien. Sie braucht jemanden, den sie lieben kann. Jemanden, etwas. Sonst wird ihre natürliche Güte bald verkümmert und verkrümmt sein.«
    Maria. So viele Jahre lang ein bezauberndes Kind. Dann eine Schachfigur im Krieg zwischen Katharina und mir. Dann – ein Nichts. An ihre Bedürfnisse hatte ich nie gedacht, so emsig war ich dabei gewesen, meine eigenen zu befriedigen. Ich hatte gedacht, sie werde mir schon erhalten bleiben, erhalten, bis ich in Frieden lebte.
    Aber nichts bleibt erhalten. Es wächst zu grotesken Formen aus, oder es verwelkt.
    »Ihr habt Recht«, sagte ich. »Sie ist schrecklich allein.« Seltsam, dass ich daran nicht gedacht hatte. Rings um mich her hatte ich Kraft und Glück gesehen, wo es sie nie gegeben hatte.
    Maria. Ich hatte sie so geliebt, aber als sie sich auf Katharinas Seite gestellt hatte, da hatte ich sie verstoßen. Woran mangelte es mir, dass ich die Bündnisse so schnell wechselte? Vielleicht reichte der Wahnsinn ja weit zurück, gründete im Fehlen eines normalen Gefühls.
    Wahnsinn. Nein, ich war nicht wahnsinnig. Aber diese pochenden Kopfschmerzen! Wo war meine Kopfmedizin, der Sirup, der dieses Rasen stillte? Ich wollte jetzt einen Schluck davon. Der Diener brachte ihn. Den hübschen smaragdgrünen Sirup. Er würde rechtzeitig zur nächsten Audienz durch meine Adern kreisen.
    So. Jetzt brauchte ich nur noch still dazusitzen und auf die Wirkung zu warten. Aber schon pochte es draußen – ein Echo des Pochens in meinem Kopf.
    »Monsieur l’ Ambassador Marillac erwartet seine Audienz.«
    Er war also schon hier? Also gut. »Wir sind bereit«, sagte ich.
    Monsieur Marillac betrat den Audienzsaal. Er war mir praktisch unbekannt, denn er war erst wenige Monate zuvor nach England gekommen. Franz erlaubte keinem seiner Gesandten, lange genug hier zu bleiben, um persönliche Bande zu mir zu knüpfen. Weil er meinen Charme, meinen Einfluss fürchtete?
    »Eure Majestät.« Er beugte das Knie, hob dann das Gesicht zu mir und lächelte. Was für ein hübsches Lächeln er hatte.
    Wolsey hatte ein hübsches Lächeln gehabt. Oh, und eine so servile Art, schmeichelhaft und unterwürfig zugleich.
    Wolsey … es gab keinen Wolsey mehr.
    »Wir heißen Euch willkommen, Monsieur Marillac. Es ist schade, dass wir Euch in all den Wochen, da Ihr auf englischem Boden seid, noch

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