Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Titel: Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Bergmann
Vom Netzwerk:
verdienen als in den meisten Berufen. Laut einer Umfrage von Infas im Auftrag der Bertelsmann Stiftung klagen 62 Prozent der Deutschen, dass Leistung sich nicht lohne. Promis haben dazu keinen Grund. Schon solche aus der Kategorie C können ein kleines Vermögen machen und, wenn sie klug damit umgehen, bald die Füße hochlegen. Der Latino-SängerDaniel Lopes nutzte diese Chance zu seinem eigenen Bedauern nicht. Nach seiner Rolle als einer der ersten Kandidaten bei Deutschland sucht den Superstar (er belegte Platz 7) kassierte er nach eigenen Angaben 20.000 Euro pro Auftritt. Doch es fehlte ihm das Talent zum Sparen, wie er der Bild am Sonntag sagte: »Ich habe innerhalb von zwei Jahren 600.000 Euro verprasst.« Danach fing er wieder von vorn an, ging auf Die Alm , in eine Sendung für das Promi-Prekariat, wo er unter anderem eine Kuh mit dem Mund melken musste, nahm am DSDS -Nachfolger Das Supertalent teil und zog dann ins Dschungelcamp .
    Der unbändige Drang in die Medien ist verständlich, denn: je größer die öffentliche Präsenz, desto größer die unternehmerischen Möglichkeiten. Neben den Gagen für TV-Auftritte können VIPs mit Werbeverträgen, dem Verkauf von Büchern (die meist Ghostwriter für sie schreiben) und allerlei anderen Produkten abkassieren. Oder sich einfach selbst vermieten. So schlagen 45 Minuten Paris Hilton beispielsweise mit 120.000 Euro plus Spesen und Extras zu Buche, wie auf der Website eventmarkt.de nachzulesen ist. Es gibt dort aber auch billigere Stars wie zum Beispiel Uschi Glas und Ottfried Fischer (15.000 bis 30.000 Euro). Schon ab 2.000 Euro machen es angeblich Costa Cordalis, Jürgen Drews oder Nadja (Naddel) Abd El Farrag.
    Ein Bonus winkt Promis, die sich nicht zu schade sind, Diktatoren mit ihrer Anwesenheit aufzuwerten. Einer, der sich gern mit ihnen schmückt, ist Ramsan Kadyrow, Präsident von Tschetschenien, ein Mann, der nach Auskunft von Amnesty International für »schwerste Menschenrechtsverletzungen« verantwortlich ist. Zu seinem 35. Geburtstag lud er unter anderem den Sänger Seal, die Geigerin Vanessa Mae und die Schauspielerin Hilary Swank nach Grosny ein. Das »Million DollarBaby« hauchte dort – nach dem Vorbild von Marilyn Monroes Ständchen für J. F. Kennedy – »Happy Birthday, Mr. President!« ins Mikro. Allein ihr Honorar soll 250.000 Dollar betragen haben. Hinterher war ihr die Sache peinlich, und sie entschuldigte sich öffentlich. Das tat auch Lothar Matthäus, der auf Einladung von Kadyrow in Grosny mit anderen namhaften Altkickern und dem Präsidenten persönlich ein Freundschaftsspiel gegen eine brasilianische Auswahl ausgetragen hatte (Gage für jeden Spieler: rund 215.000 Euro). »Das war ein Fehler«, erkannte Matthäus im Nachhinein. »Ich hätte mich besser informieren sollen. Ich dachte, es wäre ein Benefizspiel für brasilianische Straßenkinder.«
    Geschäftstüchtige Promis sind die wahren Ich-AGs, ihrer Fantasie bei der Vermarktung des eigenen Namens sind keine Grenzen gesetzt. So bieten die Schockrocker von Kiss rund 2500 Merchandising-Artikel mit dem Logo ihrer Band an, unter anderem auch zwei Sargmodelle sowie eine Urne. Der Popsänger Usher brachte vor einigen Jahren sogar ein eigenes Zahlungsmittel – die mit seinem Konterfei versehene »Usher Debit Mastercard« – heraus, um die finanziellen Möglichkeiten seiner Fans zu stärken, wie er behauptet. Angesichts der üppigen Monatsgebühr dürfte allerdings das Gegenteil der Fall sein. Der einstige Star-Trekker William Shatner (Captain Kirk) schlug sogar einen Gallenstein für 25.000 Dollar los, immerhin für einen guten Zweck.
    Ein besonders eifriger Verkäufer seiner selbst ist Jürgen Fliege, ehemaliger ARD-Fernsehpfarrer mit immer noch großem Sendungsbewusstsein. Er gibt eine Zeitschrift namens Fliege heraus und bietet auf seiner Homepage allerlei Produkte feil, die dem Seelenheil dienen sollen. Zu toll trieb er es allerdings mit der »Fliege-Essenz«, einem mit Gebeten angereicherten angeblichen Wundermittel zum stolzen Preis von 39,95 Euro pro 99 Milliliter. In der Packungsbeilage heißt es: »Morgens und abends je 3 kräftige Sprühstöße in den Mund geben. Sprechen sie vor der ersten Gabe das Wort ›Glaube‹, zum zweiten Sprühstoß ›Liebe‹ und zum dritten ›Zuversicht‹ aus.« Der Humbug trug ihn im »Schwarzbuch Esoterik« der Hamburger Sektenjägerin Ursula Caberta den Vorwurf ein, die Gesundheit anderer Menschen zu gefährden. Auch der ehemalige

Weitere Kostenlose Bücher