Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode
Höchststrafe. Umso mehr Mühe verwenden manche Promis nebst ihrer Berater auf möglichst wirkungsvolle Comebacks. Der ehemaligen Sportschau-Moderatorin Monica Lierhaus und der Komikerin Gaby Köster gelangen sie besonders eindrucksvoll. Beide verschwanden wegen eines Gehirnschlags beziehungsweise einer Gehirnblutung abrupt und für Jahre vom Bildschirm. Beide wurden von ihren Managern und Anwälten konsequent gegen aufdringlicheBoulevardjournalisten abgeschirmt. So musste die Hamburger Morgenpost 25.000 Euro Schmerzensgeld an Lierhaus zahlen, weil das Blatt detailliert über ihre Erkrankung berichtet hatte. Im Fall Köster wurden zwei einstweilige Verfügungen gegen die Bild -Zeitung erwirkt, weil diese sie bis in die Klinik verfolgt hatte. Beide Frauen suchten dann, nur halb genesen, den großen Auftritt. Lierhaus hatte ihren am 5. Februar 2011 bei der Verleihung der Goldenen Kamera, wo sie einen Ehrenpreis entgegennahm. Das Ereignis wurde zur besten Sendezeit im ZDF übertragen. Ein Millionenpublikum sah, wie Lierhaus, die noch große Mühe hatte, sich zu bewegen und zu sprechen, von ihrem Lebensgefährten, dem Fernsehproduzenten Rolf Hellgardt, auf die Bühne geführt wurde. Bei der Gelegenheit machte sie ihm noch einen Heiratsantrag (»Du bist wirklich mein Held!«), den der auf der Stelle und auf Knien annahm. Manche fanden diesen Auftritt bewegend, andere gruselig, kalt ließ er kaum einen. Bald darauf übernahm die Rekonvaleszentin auch wieder einen Job: als Präsentatorin der ARD-Fernsehlotterie Ein Platz an der Sonne , gegen 450.000 Euro Jahres-Gage, wie der Spiegel meldete – was den einen oder anderen irritierte, der fälschlicherweise davon ausgegangen war, dass Promis irgendetwas gratis tun; rund 2000 Mitspieler kündigten ihr Los.
Gaby Köster kehrte mit einem Buch über ihre Leidenszeit zurück (»Ein Schnupfen hätte auch gereicht«), das sie sogleich auf vielen Kanälen bewarb. Ihren ersten Fernsehauftritt hatte sie bei Stern TV , wo sie ihr gerührtes Publikum burschikos begrüßte: »Setzt euch bitte wieder hin, ich habe nichts Besonderes gemacht, ich war bloß krank.« Über diese Krankheit informierte sie dann sehr detailliert, befreite Professor Thomas Rommel, Chefarzt der Reha-Klinik Köln-Merheim, für eine große Story im Stern sogar von der Schweigepflicht. Sein Bulletin lautete: »Frau Köster hat einen kompletten Schlaganfall im Versorgungsbereich der mittleren Hirnschlagader erlitten. Als Folge des Hirninfarktes entwickelte sich am Tag danach ein schweres Ödem, sodass in einer Not-OP ein Knochendeckel entfernt werden musste, um den Hirndruck zu senken. Es ging also absolut ums Überleben.« Köster, die womöglich nie wieder als Komikerin auf Tour gehen kann, räumte auch freimütig ein, dass sie mit ihrer Krankheitsgeschichte Geld verdienen wolle, weil sie während ihrer dreieinhalbjährigen Auszeit ihre »Rente verblasen« habe.
Manche Journalisten fanden es unfair, dass sowohl Köster als auch Lierhaus ihr gutes Recht auf Schutz ihrer Privatsphäre nutzten, um dann mit ihren Storys an die Öffentlichkeit zu gehen. Christine Lübbers verstieg sich auf dem Medienportal Meedia gar zu der Frage, ob im Fall Köster »die juristische Unterdrückung der Berichterstattung nicht vor allem dazu gedient haben könnte, die Ware Information in dieser Sache über einen langen Zeitraum künstlich zu verknappen, damit anschließend der Aufmerksamkeits- wie Vermarktungswert der Story umso größer ist«. Mal abgesehen von der Tatsache, dass Menschen, die zwischen Leben und Tod schweben, zu solchen Berechnungen wohl kaum in der Lage wären, deutet das Lamento der Journalistin auf einen wesentlichen Unterschied zwischen cleveren und weniger cleveren Promis hin: Erstere ziehen die Medien am Nasenring durch die Manege, Letztere lassen sich ziehen.
Da auch das Leben bekannter Leute nicht aus einer Kette von bemerkenswerten Leistungen, Fehlleistungen, Skandalen und Schicksalsschlägen besteht, ist die Kernkompetenz im Promi-Business: Penetranz. Wer fest an sich glaubt, seinen Exhibitionismus voll auslebt und jegliches Schamgefühl unterdrückt, kann es darin weit bringen. So wie Sarah Connor, die blondeSängerin aus Delmenhorst. Sie lässt alle Welt an ihrem außerordentlich langweiligen Alltag teilhaben und schaffte es damit sogar in das Intelligenz-Blatt Zeit . Dort durfte sie über Wale und Delfine schwärmen: »Ich glaube, wir haben eine innere Verbindung zueinander. Jedenfalls öffnen sie
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