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Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Titel: Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Bergmann
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wär’ das was?«
    Die Chance, sich beruflich auf neuem Terrain zu verwirklichen, nutzen Promis gern und mit großem Selbstbewusstsein. Erleichternd kommt hinzu, dass sie eine gewisse Werbewirkung für alle denkbaren Geschäfte mitbringen. So betätigen sich etwa das ehemalige Spice Girl Victoria Beckham und etliche weitere bekannte Damen als Mode- beziehungsweise Schmuckdesignerinnen. Leistungssportler wie Oliver Kahn wechseln nach Ende ihrer Karriere ins Medienfach und kommentieren Fußballspiele oder andere Events – auch wenn ihnen dazu erkennbar das Talent fehlt. Das Model Naomi Campbell wurde sogar zum »Editor-at-Large« der Zeitschrift Interview erhoben, wo sie andere Promis interviewen darf. Über ihre Fachkenntnisse sagte der Verleger Bernd Runge: »Naomi ist in der weltweiten Fashion- und Kreativszene sowohl für ihre Leistungen als auch für ihr soziales Engagement‚ ›Fashion for Relief‹, bekannt.« Aha.
    Zunehmender Beliebtheit erfreut sich auch die Schriftstellerei: Ob Daniel Küblböck, Dieter Bohlen, Charlotte Roche, Dieter Thomas Heck, Daniela Katzenberger oder Bettina Wulff – es gibt kaum einen Promi, der sich nicht mit einemeigenen Werk verewigt hätte. Meist handelt es sich um Autobiografien, gelegentlich in Romanform, weil der Promi sich am meisten für sich selbst interessiert. Erstaunlich viele schreiben aber auch Kochbücher (u. a. Senta Berger, Sheryl Crow, Ursula Karven, Patrick Lindner, Gwyneth Paltrow) oder Kinderbücher (u. a. Madonna, Barack Obama, Katie Price, Til Schweiger, Franziska van Almsick).
    Die größte Wirkung entfalten jene Medienmenschen, die eine zweite Karriere als Staatsschauspieler einschlagen und es bis in höchste Ämter schaffen wie Ronald Reagan, Arnold Schwarzenegger und Silvio Berlusconi. Die drei Herren zeigen allerdings auch, dass es sich bei der vermeintlichen Meta-Qualifikation der Prominenten in Wirklichkeit nur um Scheinkompetenz handelt. Der einstige Hollywoodschauspieler und Voodoo-Ökonom Reagan – Steuern runter, Rüstungsausgaben rauf – verdreifachte in seiner Amtszeit als US-Präsident das Staatsdefizit. Auch der einstige Action Hero (»Hasta la vista, baby!«) und spätere Gouverneur von Kalifornien Schwarzenegger hinterließ den Sonnenstaat bei seiner Abwahl in einem desaströsen Zustand. Und der Medienunternehmer, Ministerpräsident und ewige Stenz Berlusconi war verantwortlich für den kulturellen und wirtschaftlichen Niedergang Italiens.
    Merke: Mit Staatsschauspielern ist kein Staat zu machen.
Unsere Spielfiguren: der Reiz der Prominenz fürs Publikum
    Die Reaktion auf Prominente ähnelt dem Kniesehnenreflex. Wenn der Arzt mit seinem Gummihämmerchen auf die Sehne unterhalb des Kniegelenks schlägt, schnellt das Bein nach vorn. Wenn wir den Namen berühmter Leute hören oder lesen, haben wir spontan ihr Bild vor Augen und eine Meinung zu ihnen. Justin Bieber – der nervigste Teeniestar aller Zeiten. Sahra Wagenknecht – die schönste Versuchung seit Rosa Luxemburg. Lindsay Lohan – ein hoffnungsloser Fall. Jogi Löw – zu gut angezogen für einen Mann. Angela Merkel – die Mutti der Kompanie. Udo Jürgens – hätte seinen Bademantel vor 20 Jahren an den Haken hängen sollen. Verona Pooth – nicht so dumm, wie sie tut. Demi Moore – Opfer ihres Jugendwahns. Thomas Gottschalk – der ewige Sonnyboy.
    Diese Leute scheinen uns einerseits vertraut, andererseits sind sie unnahbar. Das macht sie zu idealen Projektionsflächen: für Wünsche und Sehnsüchte, Neidgefühle und Ärger. Man kann die Stars und Sternchen bewundern oder über sie lachen, ihnen alles Gute oder Schlechte wünschen, ihre Aufstiege und Abstürze staunend oder hämisch verfolgen. In der bunten Welt der Prominenz ist für jeden Geschmack etwas dabei. Zur Wahl stehen Rebellen und Spießer, Genies und Dummköpfe, Künstler und Prälaten, Ehrliche und Lügner, Heilige und Huren, Mörder und Friedfertige. Weil sie in allen Blättern und auf allen Kanälen zu uns kommen, scheint es, als gehörten sie zur Familie. Sie sind immer da, wenn man sie braucht, machen aber die Wohnung nicht schmutzig. Und befriedigen, zu diesem Zweck wurden sie erfunden, ein urmenschliches Bedürfnis: das nach Klatsch. »Klatsch«, schreibt Sarah Churchwell, Professorin fürAmerikanische Kultur und Geschichte an der britischen University of East Anglia, »ist Ausdruck eines sozialen Drangs: Er zeigt unser Interesse an den anderen.« Pointierter urteilte der Psychoanalytiker Alexander

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