Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode
EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber sprach von »Scharlatanerie und Geldschneiderei«. Die Essenz wurde vom Markt genommen.
Promis können nicht nur Wasser in Gold verwandeln, sondern auch von Anlässen profitieren, die jeden anderen Menschen eine Stange Geld kosten, wie etwa Eheschließungen. Eine wahre Traumhochzeit feierte das US-Sternchen Kim Kardashian mit dem Basketballspieler Kris Humphries. Die Riesen-Sause mit Hunderten Gästen wurde monatelang vorbereitet – und immer war das Fernsehen für eine mehrteilige Dokumentation mit von der Partie. Außerdem durften einige ausgewählte Zeitschriften Fotos von dem jungen Glück machen. Insgesamt soll Kardashian 18 Millionen Dollar mit dem schönsten Tag ihres Lebens eingenommen haben. Keine drei Monate später kündigte sie dann an, sich scheiden zu lassen. Und wandte sich sogleich an ihre Fans, um den Eindruck zu zerstreuen, sie habe nur des Geldes wegen geheiratet. »Ich finde es lächerlich, dass ich das verteidigen muss«, sagte sie dem australischen Radiosender 2Day FM. »Ich schätze, dass das damit einhergeht, wenn man seine Hochzeit für eine Reality-Show filmen lässt.« Da könnte sie recht haben.
Prima leben und sparen
Das A und O bei der Versilberung des Privatlebens ist der strategische Umgang mit den schönen Bildern, die dabei entstehen, gern auch mithilfe der Justiz. 13 Ein Lehrstück zu diesem Thema verdanken wir dem ehemaligen Tagesthemen-Moderator und Moralapostel (»Der Ehrliche ist der Dumme«) Ulrich Wickert. Er posierte anlässlich seiner ersten Hochzeit 1991 mit seiner Braut vor einigen Fotografen und versorgte die Presse auch mit selbst produzierten Bildern. Unter anderem berichtete damals die Bild am Sonntag über das freudige Ereignis. Als 1995 die Trennung folgte, ließ er durch die Rechtsabteilung des NDR, seines damaligen Arbeitgebers, die Presse verdonnern, auf den Abdruck dieser Bilder zu verzichten. Seine nächste Hochzeit 1996 ließ er dann auf zwölf Seiten durch die Bunte dokumentieren. Um 1998, anlässlich der Scheidung, wiederum ein Veröffentlichungsverbot für jene Fotos zu erzwingen. Seine dritte Hochzeit fand dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. »Weil dieser Schritt unsere ganz private Sache ist und unser Privatleben nicht in die Medien gehört«, so Wickerts originelle Begründung. Ähnlich verfuhr Roland Kaiser, der erst ein Veröffentlichungsverbot für Fotos seiner Kinder wegen Entführungsgefahr gerichtlich durchsetzte – um dann solche Bilder gegen ein fünfstelliges Exklusivhonorar zu verkaufen.
Die Rechtsanwälte Christian Schertz und Dominik Höch schreiben in ihrem Buch »Privat war gestern« – womöglich ja aus eigener professioneller Erfahrung: »Draufhauen auf den bösen Boulevard, der die Privatsphäre verletzt, und das Private gleichzeitig dort ausbreiten – das geht bei manchen Prominenten in einem Atemzug. Führt man sich ein solch bigottes Verhalten vor Augen, verwundert es nicht, dass Chefredakteure vonBoulevardzeitungen sich darüber immer wieder ereifern, nach dem Motto: ›Die Promis lassen sich von uns großmachen, und wenn ihnen eine Story nicht passt, sollen wir schweigen.‹« 14
Prima leben und sparen – das gehört für viele bekannte Leute zusammen wie urbi und orbi . Man dient ihnen nämlich allerlei Waren und Dienstleistungen gratis an, damit der Glanz der Berühmtheiten auf diese Produkte abstrahle. So durften mehr als hundert Prominente gratis mit Air Berlin fliegen. Das kam heraus, als Hartmut Mehdorn, der im September 2011 als neuer Chef an Bord kam, die Vorzugsbehandlung aus Kostengründen und zu seinem Bedauern streichen musste. Anrüchig sei das Promi-Privileg aber nicht, sagte er der Zeit : »Das macht jeder Autobauer und Anzughersteller, bezogen auf seine Produkte, nicht anders.« So sollen etwa die britischen Royals laut der Times in den Genuss eines königlichen Rabatts von bis zu 60 Prozent bei Leasingverträgen für Limousinen der Marke Audi kommen. Das schweizerische Pin-up-Model Zoe Scarlett fasste die Vorzüge des Promi-Daseins bei Spiegel TV einmal knackig zusammen: »Umso mehr man in der Öffentlichkeit ist, desto weniger muss man sich kaufen.«
Manche Nassauer sind schon so sehr daran gewöhnt, wirklich alles gratis zu bekommen, dass sie nicht mehr zwischen eigenem und fremdem Eigentum unterscheiden können. Dies scheint auch bei Paris Hilton der Fall zu sein: Die Berufsblondine hatte sich 2007 vom Edeljuwelier Damiani Brillantketten und Ohrringe im
Weitere Kostenlose Bücher