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Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Titel: Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Bergmann
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– auch deshalb sind sie so beliebt bei Journalisten. Für die Medien gilt das Gleiche wie für die Börse: Egal ob die Kurse eines Promis steigen oder fallen – man profitiert in beiden Fällen. Die Demontage erst in den Himmel gehobener Lichtgestalten ist journalistisch sogar besonders reizvoll – für manchen Medienliebling eine böse Überraschung. Man denke nur an den überehrgeizigen Karl-Theodor zu Guttenberg, für dessen Vorgeschichte als Promotions-Plagiator sich kaum jemand interessiert hätte, wäre der Mann nicht erst zum Politstar hochgejubelt worden.
    Je größer der Name, desto spannender und lohnender ist es, sich mit den dunklen Seiten der betreffenden Person zu beschäftigen: Der Promi-Bonus kann dann rasch zum Promi-Malus werden. Dies musste auch Werner Mang schmerzhaft erfahren. Der Schönheitschirurg mit eigener Klinik am Bodensee verschafft Patienten mit den nötigen finanziellen Mitteln neue Nasen, Busen und straffere Haut. Der »Pionier«, »Visionär« und »erfolgreichste Arzt Europas« (Mang über Mang) ist ein umtriebiger Selbstdarsteller und zeigt sich gern in illustren Kreisen: »Ich bin stolz, dass ich so viele Prominente kenne.« Lange durfte er sich auch über eine sehr freundliche Presse freuen. Die Bild erhob ihn zum »Schönheitspapst«, und als er den echten Pontifex zur Audienz in Rom traf, titelte das Münchner Boulevardblatt tz gar »Papst trifft auf Papst«. Prima Werbung, weshalb solche Lobhudeleien auch auf der Homepage der Bodenseeklinik dokumentiert werden.
    Mang geriert sich nicht nur als Ausnahmearzt, sondern auch als Medizinethiker. So beteuerte er, sich selbst nie aus ästhetischen Gründen unters Messer legen zu wollen, und gab seinen Kollegen – nach dem Tod der Pornodarstellerin »Sexy Cora«, die nach einer Brustvergrößerung in einer Hamburger Klinik gestorben war – den väterlichen Rat, öfter mal »Nein« zu sagen. Einem solchen Pfau unter das Gefieder zu schauen, ist eine reizvolle Aufgabe. Der Spiegel nahm sich ihrer gern an und förderte allerlei Unrat zutage. Demnach sollen in Mangs Klinik ein Arzt ohne Approbation gearbeitet haben, Krankenakten manipuliert und unzufriedene Patienten mit juristischen Folgen für den Fall bedroht worden sein, dass sie Nachteiliges über Mang berichten. Das Ergebnis der Recherche präsentierte das Magazin in einer neunseitigen Story, die gespickt war mit wenig schmeichelhaften Äußerungen von Fachkollegen Mangs. Weitere Berichte im Blatt, auf Spiegel online sowie staatsanwaltliche Ermittlungen folgten. Von dieser Sorte Presseresonanz findet man verständlicherweise nichts auf der Website der Bodenseeklinik.
    Mal gibt es eine strenge Arbeitsteilung zwischen den Medien – die einen jubeln jemanden hoch, die anderen schießen ihn ab –, mal besorgt ein und dasselbe Blatt beide Jobs. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des Springer-Konzerns, drückte das, angesprochen auf den Kampagnenjournalismus der Bild -Zeitung, einmal so aus: »Wer mit ihr im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten.«
    Für so manchen Fahrgast ist der abrupte Richtungswechsel eine unangenehme Überraschung. So auch für Christian Wulff. Der pflegte mithilfe seines Sprechers Olaf Glaeseker schon als niedersächsischer Ministerpräsident ein enges Verhältnis zur größten deutschen Boulevardzeitung und erlaubte ihr exklusive Einblicke in sein Privatleben. Die dankte es dem CDU-Politiker unter anderem mit wohlwollenden Berichten über die Trennung von seiner Frau im Jahr 2006 und der neuen Liaison mit der 14 Jahre jüngeren PR-Dame Bettina Köhler. Die beiden wurden von Bild und Bunte als neues deutsches Glamourpaar hofiert.
    Einen Knacks bekam die Beziehung, weil Springer-Blätter sich bei der Neuwahl des Bundespräsidenten im Jahr 2010 für Wulffs Konkurrenten und späteren Nachfolger Joachim Gauck ins Zeug legten. Nach dem Sieg des Niedersachsen herrschte dann aber wieder eitel Sonnenschein. Bild porträtierte die Patchwork-Familie im Berliner Schloss Bellevue und bei ihren Reisen durch die Welt in den schönsten Farben. So brachte sie am 11. Dezember 2011 eine mit »Expedition Romantik« betitelte Story: »Bei der Omanreise ließen Bettina und Christian Wulff die Delegation in der Stadt zurück und übernachteten ineinem Wüstencamp. Um 5.45 Uhr standen sie auf und genossen den Sonnenaufgang über den Dünen.«
    Umso unangenehmer berührt war Wulff, als er erfuhr, dass das Boulevardblatt gleichzeitig an einer ganz

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