Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode
freundlich-charmante wie auch das manipulative Element sicher überzeugend verkörpern.«
Teil 2 Die Promi-Typologie: ein buntes Bestiarium
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Auch in der Unterhaltungsindustrie gibt es eine Arbeitsteilung und deshalb Promis für jeden Zweck. Benötigt werden sowohl Spezialisten als auch Generalisten, die mehrere Jobs beherrschen.
Hier ein (unvollständiger) Überblick:
Der Aufkocher
Wirkte einst hinter geschlossener Küchentür und war nicht der Rede wert. Ist heute auf allen Kanälen präsent, um dem Publikum zu zeigen, wie man einen Wolfsbarsch richtig filetiert, Sauce reduziert oder ein heruntergekommenes Schnitzellokal in Wanne-Eickel auf Vordermann bringt. Wogegen nichts zu sagen wäre, bliebe der Aufkocher bei seinen Töpfen und bei Sinnen. Das ist aber häufig nicht der Fall. So betätigt sich der Oberbayer Alfons Schuhbeck mittlerweile als Gewürzphilosoph und behelligt sein Publikum mit endlosen Elogen über die segensreiche Wirkung von Koriander (stärkt die Immunabwehr), Nelke (fängt Radikale), Ingwer und Knoblauch (töten Bakterien). Praktischerweise kann man all diese Wundermittel in seinen Läden zu gesalzenen Preisen kaufen. Seine in Sachen Kochkunst höchstens mittelmäßige Kollegin Sarah Wiener inszeniert sich als sexy Hexy mit Schürze und posiert unter anderem als Unterwäschemodel. Der selbst ernannte »Prolet am Herd« Tim Mälzer – eine Kopie des englischen Originals Jamie Oliver –verausgabte sich bei seinen vielfältigen medialen Aktivitäten so sehr, dass er einen Zusammenbruch erlitt und wegen Burn-outs behandelt werden musste. Zuvor war er vom damaligen Vorstandsvorsitzenden des Verlagshauses Gruner + Jahr, Bernd Buchholz, als »eine echte Benchmark« für eine konzernweite Vermarktungskette gelobt worden.
Am tollsten aber treibt es Johann Lafer. Der geborene Steirer mit dem unnatürlichen Dauerlächeln ist in Kochshows und Werbung – die zuweilen schwer zu unterscheiden sind – omnipräsent, gelegentlich auch auf zwei Fernsehkanälen gleichzeitig. Außerdem betätigt er sich als Autor von Büchern und Zeitschriftenbeiträgen, befördert andere Promis per Helikopter zu Picknicks und gibt seinen Namen für zahlreiche Küchenprodukte her ( Mitarbeitern und etwa zehn Millionen Euro Jahresumsatz in Schwung zu halten.
Lafer hat geschafft, wovon viele Promis träumen: zur Marke zu werden. Bezeichnenderweise litt darunter allerdings sein Kerngeschäft: Er büßte einen seiner 1987 vom Guide Michelin verliehenen zwei Sterne ein. Der Restaurantführer Gault Millau merkte über Lafers Gourmetrestaurant Le Val d’Or auf dessen Stromburg im Hunsrück einmal an, der Meister mache »im Epizentrum seiner Eigenvermarktung nur noch die Honneurs«.
Der Fall des Aufkochers zeigt exemplarisch, dass zwischen Leistung und Prominenz eine leicht zerbrechliche Verbindung besteht. So ist Deutschlands wohl bester Koch Harald Wohlfahrt, Küchenchef im Drei-Sterne-Restaurant Schwarzwaldstube in Baiersbronn, nie in einer TV-Kochshow zu sehen. Er hat für so etwas keine Zeit, weil er hart arbeiten muss. Die Fernsehköche dagegen neigen dazu, sich auf ihren Lorbeerenauszuruhen. Christian Rach und Cornelia Poletto haben ihre mit je einem Stern ausgezeichneten Restaurants in Hamburg mittlerweile aufgegeben. Um sich, wie Poletto behauptet, aus Überzeugung in einem neuen Lokal der bodenständigen Küche zuzuwenden. Mit der lässt sich, zumal als Promi, vermutlich leichter Geld verdienen.
Die Betroffenheits-Guste
Profi im Zurschaustellen falscher Gefühle. Tut so, als rege sie die Ungerechtigkeit der Welt wahnsinnig auf, und ist, weil es an Ungerechtigkeiten nicht mangelt, ständig auf Sendung. Die Grünen-Chefin Claudia Roth – die ihre Empörungsbereitschaft bereits durch ihre schrillen Outfits und grell gefärbten Frisuren signalisiert – ist dank dieser Masche erstaunlich populär geworden und hat es zur längstgedienten Vorsitzenden ihrer Partei gebracht. Die taz nannte sie einmal »existenziell durchlogene Gebrauchtemotionshökerin«. Typische Zitate von ihr sind: »Gewalt ist immer auch ein Hilferuf.« Und: »Die Verbraucher werden im Stich gelassen.« Roth redet ungeheuer viel und auch viel Unsinn, das aber mit Verve. Über ihr Lieblingsland sagte sie beispielsweise einmal ohne Rücksicht auf Sinn und Verstand und Grammatik: »Türkei ist für mich zweite Heimat. Ich mache seit zwanzig Jahren Türkeipolitik. Das ist viele Jahre. Und ich liebe die Menschen in der Türkei, und ich liebe die
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