Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode
mit Carlo von Tiedemann, Karl Moik und Joachim Fuchsbergerüber Volkskrankheiten und Gesundheit, flankierend dienen Anja Kohl (ARD-»Börsengesicht«) und Dirk Müller (»Mister Dax«) dem Nachweis von Wirtschaftskompetenz, und Ernst Prost (Liqui Moly) und Wolfgang Grupp (Trigema) geben den Prototyp des Unternehmers ab.«
Weit verbreitet: Nekrophilie
Die symbiotischen Beziehungen zwischen den Medien und den Prominenten dauern manchmal über den Tod hinaus. Zuweilen befördert das Ableben von Stars sogar das Geschäft, wie sich auf der Liste der bestverdienenden Verstorbenen in der US-Zeitschrift Forbes nachlesen lässt. Auf Platz 1 steht Michael Jackson: In den zwölf Monaten nach seinem Tod im Juni 2009 verdienten seine Erben und die Inhaber der Rechte an seinen Werken 275 Millionen Dollar. Im Jahr darauf waren es noch 170 Millionen Dollar. Der bereits 1977 abgetretene Elvis Presley ist Zweitplatzierter: Er sorgte von Oktober 2010 bis Oktober 2011 für 55 Millionen Dollar Umsatz.
Der geschäftliche Umgang mit Verschiedenen ist angenehm, weil von ihnen in aller Regel keine unangenehmen Überraschungen wie Blackouts auf der Bühne und Skandale dahinter mehr zu erwarten sind. Deshalb richtet das Unternehmen Cirque du Soleil gern Shows mit ihnen aus, zum Beispiel »The Immortal World Tour« zu Ehren von Michael Jackson. Dank der digitalen Technik können Superstars bis in alle Ewigkeit weiterleben. So waren in einem Werbespot für Dior die Leinwandgöttinnen Grace Kelly, Marilyn Monroe und Marlene Dietrich gemeinsam mit Charlize Theron zu sehen.
Populäre historische Figuren sind für die Medien immer eine Geschichte wert. Sollte auch nur der geringste neue Aspekt aus ihrem Leben oder gar ein neues Foto auftauchen, kommen sie posthum noch einmal groß heraus.
Einer der zähesten Wiedergänger ist Adolf Hitler. Er und seine Helfer leben in Presse, Funk und Fernsehen munter fort. Besonders beliebt ist er als Coverboy des Spiegel . Das Deutsche Historische Museum in Berlin dokumentierte die Hitler-Manie des Magazins anlässlich einer Sonderausstellung und zeigte 45 Titelblätter mit dem »Führer« – vom ersten im Jahr 1964 (»Anatomie eines Diktators«) bis zum damals jüngsten aus dem Jahr 2009 (»Die Komplizen«). Ein Ende der Serie ist nicht abzusehen. Zum 70. Jahrestag des Überfalls NS-Deutschlands auf die Sowjetunion kam das Blatt mit Hitler und Stalin (»Bruder Todfeind«) an die Kioske. Die zugehörige Titelstory war People-Journalismus at its best, wie Uli Gellermann in den Blättern für deutsche und internationale Politik analysierte: »Und natürlich beginnt alles mit einer Adolf-Homestory: Wie Hitler am Vorabend des Überfalls ziemlich nervös war und Musik von Liszt hörte, und dass er mächtig übermüdet war, der arme Führer. Was dann folgt, ist von wenig Kenntnis getrübt, aber vom festen Willen geprägt, den Krieg der Deutschen gegen die Sowjetunion als eine ziemlich private Angelegenheit zwischen zwei Diktatoren zu schildern.«
Ein Vorteil für den Spiegel : Seitdem sich der Stern 1983 an den angeblichen Hitler-Tagebüchern bös die Finger verbrannte und nun deutlich vorsichtiger im Umgang mit dem Diktator ist, hat man von dieser Seite kaum noch Wettbewerb zu befürchten. Der größte Medienskandal in der Geschichte der Bundesrepublik ist ein Paradebeispiel für die Promi-Fixierung der Presse im Allgemeinen und ihre Besessenheit vom braunen Diktatorim Besonderen. Der Stern machte damals ein Riesen-Bohei um die vermeintlich von Hitler und in Wahrheit vom Fälscher Konrad Kujau verfassten Kladden, wiewohl die nur Banalitäten enthielten à la: »Meine Magenverstimmung hat sich behoben. Ich kann wieder feste Nahrung zu mir nehmen.« Was die Stern -Chefs aber nicht davon abhielt zu fabulieren, nun müsse die Geschichte des Dritten Reiches zu großen Teilen neu geschrieben werden. Bis die – später von Helmut Dietl großartig verfilmte – Posse aufflog. Der ehemalige Stern -Reporter Gerd Heidemann, der als einzig publizistisch Verantwortlicher für den medialen Super-GAU im Gefängnis büßen musste, sagte im Nachhinein lapidar: »Die Leute interessieren sich für die Nazi-Zeit, also bringen die Medien Geschichten darüber – alle haben einen Hitler-Tick.« 18
Noch schöner: Promis wieder absägen
In diesem Fall stolperte ein namhaftes Magazin über einen berüchtigten Prominenten. In aller Regel verhält es sich umgekehrt: Es ist die Presse, die bekannte Leute vor aller Augen vom Sockel stürzt
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