Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode
täte. »Ich lege das Geld in einem Sparfonds für die Kinder an«, antwortete brav die Schauspielerin und Mutter Andrea Sawatzki. Überaus fromm parierte auch die Moderatorin Nina Ruge die Frage, was sie vom Papst halte: »Es steht mir nicht an, den Papst zu belehren. Papst Benedikt XVI. steht für viele Botschaften – doch mit einer kann er Millionen begeistern, mit ihr erreicht er die Herzen: Das ist die Botschaft der Liebe.« Wohingegen sich Cosma Shiva Hagen bei der Umfrage, wie Apple ihr Leben verändert habe, als falsche Ansprechpartnerin outen musste: »Überhaupt nicht, weil ich ein absoluter Computer-Spätzünder bin.« Lothar Matthäus war dann genau der Richtige, um eine Stellungnahme zum Comebackversuch seines fränkischen Landsmanns Karl-Theodor zu Guttenberg abzugeben. Den befürworte er, und zwar »nicht nur, weil er so gut aussieht wie ich«, sondern weil Guttenberg in der Politik sehr viel bewegt habe, und »wenn einem Guten gewisse Fehlerchen passiert sind, sollte man das nicht so hochkochen«. Was gewisse Fehlerchen angeht, ist Matthäus nämlich Fachmann.
Die einfachste Möglichkeit, von Promis zu profitieren, sind ausgedachte Geschichten, auf die sich manche Verlage spezialisiert zu haben scheinen. Das funktioniert wie beim Rorschach-Test: Man nehme Fotos von Schönen, Reichen und Wichtigen, assoziiere frei dazu, und fertig ist die Story über Liebesglück, Liebespech, angebliche Schwangerschaften oder jedes andere beliebige Thema. Das spart Personal und Geld, weil mühselige Recherchen wegfallen. Ein Nachteil dieser Methode ist, dassmanche VIPs Märchen über sich ungern lesen und ihre Medienanwälte von der Leine lassen. So ging Matthias Prinz im Auftrag des schwedischen Königshauses gegen den Klambt-Verlag ( Woche der Frau , Frau mit Herz ) vor, der, so Prinz, »einige Hundert unwahre Geschichten« veröffentlicht habe. »Alle frei erfunden.« 16
Nur wenig mehr Arbeit erfordert die häufigste Sorte der Promi-Story. Sie entsteht im besten Einvernehmen zwischen beiden Seiten: Mr. oder Mrs. Wichtig bekommt Gelegenheit, sich darzustellen beziehungsweise für ein neues Buch, einen neuen Film oder eine neue CD zu werben. Die Medien bekommen populären Stoff und können sich mit den Begehrten schmücken. Dass Prominente in der Öffentlichkeit etwas Bemerkenswertes tun, ohne damit geschäftliche Interessen zu verfolgen oder von PR-Leuten beziehungsweise der Presse dazu aufgefordert worden zu sein, kommt eher selten vor – und wird dann entsprechend gewürdigt. Im Sommer 2011 konnten Journalisten rund um den Globus ihr Glück nicht fassen, als bekannt wurde, dass der französische Schauspieler Gérard Depardieu in ein Flugzeug uriniert hatte. Unter den unzähligen Berichten über den Vorfall dürfte der des Bild -Gossenpoeten Franz Josef Wagner am einfühlsamsten ausgefallen sein: »Man beginnt zu schwitzen, man presst die Pobacken aneinander. Man kämpft. Pissen zu unterdrücken ist das Schlimmste auf der Welt.«
Aber auch jenseits solcher Highlights bietet der Promi-Kosmos unendlich viel Stoff für fantasiebegabte Journalisten. So untersuchte das SZ-Magazin folgendes Phänomen in einem reich bebilderten Beitrag: »Ist Ihnen schon aufgefallen, dass viele Promis und Adelige (und nein, nicht nur Männer) mit Unterwäschemodels zusammen sind? Ein Zufall? Unwahrscheinlich!« Das Blatt hatte im Fall der Blaublüter aucheine interessante Theorie parat: »Vielleicht kommt das Interesse der europäischen Prinzen an Unterwäschemodels daher, dass für sie die Zeugung von Nachkommen immer noch kriegsentscheidend ist und es sich bei einem fast unverhüllten Körper schneller beurteilen lässt, wie gebärfähig eine ist?« Diese Schlussfolgerung schien der Autorin dann aber doch zu gewagt: Wahrscheinlich sei das »Quatsch«. Das ist das Schöne in der Eitelkeitsindustrie: Hier lässt sich jeder Quatsch als heiße Story verkaufen – wahrlich ein mediales Schlaraffenland.
Gern gesehen sind Promis vor allem als Themenlieferanten, denn das, was ihnen widerfährt oder sie bewegt, gilt automatisch als interessant – mit dem erfreulichen Nebeneffekt, dass man sich in den Redaktionen nicht selbst den Kopf über Berichtenswertes zerbrechen muss. So führten die seit einiger Zeit bei Berühmtheiten gehäuft auftretenden, sogenannten Burn-outs zu einem gewaltigen Widerhall in der Presse. Das Syndrom wurde aus allen Blickwinkeln beleuchtet, und sogar einige gewöhnliche Leute durften lang und breit über ihre
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