Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode
wie Tatjana Gsell, die viele noch unter einem Spitznamen kennen, gegen den sie sich aber erfolgreich juristisch gewehrt hat. Sie verdankt ihn der Ehe mit einem Schönheitschirurgen – der ihr den Busen aufpolsterte – und einer unglaublichen Story. Die Gsell und ihr Gatte beauftragten 2003 ein paar Gangster, um den Diebstahl ihres Mercedes vorzutäuschen. Bei der Übergabe des Wagens gab es Streit, Franz Gsell wurde niedergeschlagen und starb später im Alter von 76 Jahren an den Folgen. Seine lustige Witwe hatte danach zahllose Auftritte im Privatfernsehen und vor Gericht; 2004 wurde sie wegen versuchten Versicherungsbetrugs und Vortäuschen einer Straftat zu 16 Monaten auf Bewährung und 30.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Es folgten viele weitere peinliche Eskapaden, unter anderem die in den Medien ausgebreitete Liaison mit Ferfried »Foffi« Prinz von Hohenzollern (→ Der Tölpel vom Dienst). Dem Spiegel sagte die Gsell einmal halb kokett, halb selbstkritisch: »Ach, ich war naiv, aber träumen nicht alle jungen Frauen von so einer Karriere?«
Hoffentlich nicht, denn die Gummipuppe lebt allein deshalb gefährlich, weil sie sich, um zu werden, was sie ist, unters Messer legen muss. So wie Carolin Wosnitza alias »Sexy Cora«. Die Mecklenburgerin starb am 20. Januar 2011 im Alter von 23 Jahren in einer Hamburger Privatklinik, wo sie ihre Brüste vergrößern lassen wollte: von 70 F auf 70 G. Es war bereits die fünfte Operation dieser Art. Nach ihrem Tod kam sie dann noch einmal ganz groß raus: Der Stern widmete ihr im Juni 2011eine neunseitige, reich bebilderte Titelgeschichte (»Das Leben und Sterben der Sexy Cora. Die Tragödie eines Mädchens, das als Pornostar reich und berühmt werden wollte und darüber sein Leben verlor«). Darin kommt ausführlich ihr Witwer, der Pornoproduzent Tim Wosnitza, zu Wort. Er hat zwar bereits eine neue Gummipuppe namens »Pretty Nina« unter Vertrag, pflegt das Erbe seiner Frau aber liebevoll weiter. Auf der von ihm verantworteten Internetseite heißt es: »Cora war eine Frau, die ihre Arbeit geliebt hat, und wir wollen sie unsterblich durch ihre Werke machen und die Filme weiter zeigen, so wie es der Wunsch von SEXY-CORA gewesen ist!«
Der Guru
Befriedigt das verbreitete Bedürfnis nach sogenannter Spiritualität, indem er vermeintliche Weisheiten unters Volks streut und dabei selig grinst. Mit dieser Masche kann man – über die Kernzielgruppe der mittelalten, frustrierten Damen hinaus – außerordentlich populär werden. Meister des Fachs ist der Dalai Lama, das geistige Oberhaupt der Tibeter. Wiewohl der aus dem Sanskrit stammende Begriff Guru eigentlich »ehrwürdig, gewichtig« bedeutet, interpretiert Seine Heiligkeit die Rolle eher leichtfüßig. Bei seinen unzähligen Auftritten äußert sich der Mann in der rot-gelben Kutte ohne Rücksicht auf Verluste zu allem und jedem und ist dabei dem → Dampfplauderer sehr ähnlich.
Gern gibt der auch als »Ozean der Weisheit« gepriesene Dalai Lama besinnliche Binsen zum Besten wie: »Was unsere realen Besitztümer angeht, so müssen wir eingestehen, dass sie uns oft mehr Probleme bereiten anstatt weniger. Das Autostreikt, wir verlieren Geld, etwas Kostbares wird uns gestohlen, in unserem Haus bricht Feuer aus – und geschieht dies nicht, dann fürchten wir, dass es geschehen könnte.« Oder: »Für mich ist die Fähigkeit zu lächeln eine unserer wunderbarsten Eigenschaften.« Oder: »Es ist entschieden besser, sich einer Person oder Situation zu stellen, als Ärger hinunterzuschlucken, darüber nachzugrübeln und im Herzen Unmut zu nähren.« 3 Derlei Kalendersprüche kommen gut an bei Wohlfühl-Buddhisten im Westen. Sie stört nicht, dass es sich bei ihrem Guru um einen Erzreaktionär handelt, der unverdrossen das mittelalterliche Feudalsystem Tibets verteidigt, das die Chinesen nach der Besetzung des Landes 1950 abschafften. Denn, so belehrt er uns: »Ein armer Tibeter hatte wenig Veranlassung, seinen reichen Gutsherrn zu beneiden oder anzufeinden, denn er wusste, dass jeder die Saat aus seinem früheren Leben erntet.«
Auch den Zölibat findet der Dauergrinser gut. »Sex«, sagte er im Bild -Interview zu seinem 75. Geburtstag, »macht den Menschen gemein mit allen anderen Tieren. Ich bin ein Mensch, der für gewisse moralische Prinzipien steht. Der Zölibat ist etwas, was mich vom gewöhnlichen Tier unterscheidet.« Hätte das ein katholischer Bischof gesagt, wäre die → Betroffenheits-Guste Claudia Roth
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