Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode
Piloten-Sonnenbrille trägt – selbst wenn er angeschossen auf einer Trage liegt wie am 23. August 1996 nach einer Auseinandersetzung im Milieu –, würzte viele Talkshows allein durch seine Anwesenheit. Bekannt wurde der Sohn eines Afroamerikaners und einer Deutschen mit einem einprägsamen Spitznamen, zu dem er früher offensiv stand. 1998 trat er sogar in dem Fernsehthriller »Das Miststück« in der Rolle des »Neger-Kalle« auf. Heute darf ihn niemand mehr so nennen, sonst gibt es Ärger mit seinem Medienanwalt (→ Der Putzerfisch). Seinen bislang letzten großen öffentlichen Auftritt hatte Schwensen im Mai 2009 in der Stern -Rubrik »Was macht eigentlich ...?« für gewesene Prominente, wo er interessante Visionen verriet: »Ich setze mich zum Beispiel ernsthaft damit auseinander, ein Haus zu bauen, in dem ich direkt von der Garage in die Küche gehen kann. Allerdings wird das Haus nicht hier sein, sondern auf dem Mars, verstehen Sie? Und wenn ich da dann ein paar Tage unterwegs bin, möchte ich anschließend gleich in die Küche und ein Sandwich essen.« Seine Brötchen verdient er ganz bodenständig als Inhaber einer Castingagentur und eines Sadomaso-Clubs auf St. Pauli. Auch seine Begegnungen mit der Justiz haben längst nicht mehr den Kitzel von einst: Bei seinem jüngsten Auftritt vor dem Amtsgericht HamburgMitte im Juli 2011 ging es nur um den Vorwurf des Fahrens ohne Fahrerlaubnis.
Deutlich einfacher als der Spagat zwischen Halb- und Medienwelt ist es, den bösen Buben lediglich zu spielen. Mit dieser Masche hat es Anis Mohamed Youssef Ferchichi alias Bushido (Samurai-Japanisch für »Wege des Krieges«) weit gebracht. Er verlebte im kleinbürgerlichen Berlin-Tempelhof eine nach eigenen Angaben schwere Kindheit, schmiss die Schule und wanderte wegen Drogendelikten beinahe ins Jugendgefängnis. Statt die Laufbahn des Gangsters schlug er dann aber doch nur die des Gangster-Rappers ein. Und gab martialische Songs wie »Drogen, Sex, Gangbang« zum Besten; hier eine kleine Kostprobe: »Ich hab Aggro gegen die Frauen! Zieh dich nackig aus und fang an zu saugen! Meine Wohnung soll sauber sein! Nutte, ich hab Hunger! Nimm dein’ Kochlöffel und koch mir endlich Hummer! Fotze!«
Politiker wie Monika Griefahn (SPD), zu jener Zeit Vorsitzende des Medienausschusses im Deutschen Bundestag, taten dem jungen Mann den Gefallen, sich über ihn und seine Kumpels öffentlich zu empören. Einige seiner Lieder wurden von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien gebrandmarkt – unfreiwillige und unbezahlbare Werbung für einen, der als harter Junge rüberkommen will. Ferchichi mauserte sich zur cash cow des auf Krawallbrüder spezialisierten Berliner Plattenlabels Aggro.
Mit Ende 20 erkannte er dann, dass es Zeit war, die Kurve zu kriegen. Mithilfe seines PR-Beraters, dem ehemaligen Musikjournalisten Lars Amend, veröffentlichte er seine Biografie, die zum Bestseller und dann unter anderem mit Moritz Bleibtreu, Hannelore Elsner und ihm selbst verfilmt wurde. Das Ergebnis wurde zwar allgemein verrissen – der Tagesspiegel ätzte über»Albumblätter aus dem Poesieheft eines Gernegangsters: bieder, zäh, ungelenk und falsch« –, aber Ferchichi war nun endgültig im Kreise der A-Promis angekommen. Seitdem gibt er sich lammfromm, trat als Streitschlichter an einer Schule auf und wickelte sogar den CSU-Chef Horst Seehofer ein, der ihm via Bild antrug: »Ich würde mir wünschen, dass Bushido einen Wahlkampfsong für uns macht.«
Dazu kam es bislang zwar noch nicht, aber das Gebaren des bösen Buben hat Ferchichi nun nicht mehr nötig. Er wohnt mit Mutter, Frau und Kind in einer Villa und bezeichnet sich selbst als »gediegen« und »bodenständig«.
Das Luder
Tritt seit den Neunzigerjahren gehäuft auf. Ursprünglich stammt der Begriff aus der Jägersprache und bezeichnet Aas, das ausgelegt wird, um Raubtiere anzulocken beziehungsweise anzuludern. Heute treibt das Luder im Großstadtdschungel sein Unwesen. Bemerkenswert ist der Bedeutungswandel: Vom Schimpfwort zum Ehrentitel für Frauen, die ihren Sex-Appeal kühl berechnend einsetzen – das Luder ist gesellschaftsfähig geworden. Katie Price, Mutter aller Boxenluder, wurde 2011 in Großbritannien sogar für den Titel »Celebrity Mum of the Year« nominiert und trat bei dem von einem Glücksspielunternehmen gesponserten Wettbewerb unter anderem gegen Queen Elizabeth II. an.
Hierzulande legte Verona Pooth (früher Feldbusch) die bemerkenswerteste
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