Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode
beschäftigt mittlerweile ein ganzes Heer von Redenschreibern im Bundespräsidialamt sowie unzählige Hauptstadtjournalisten, die sich und die Öffentlichkeit ständig fragen: Wann kommt sie endlich, die große Rede? Da muss man als Grüß-August cool bleiben. Dem mimosenhaften Horst Köhler gelang dies nicht. Stattdessen erzählte er einem Reporter des Deutschlandradios irgendwann, was ihm so im Kopf herumging: »Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe, mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit, auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall, auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen, negativ, durch Handel, Arbeitsplätzeund Einkommen.« Nachdem der Grüne Jürgen Trittin dies griffig als »Kanonenbootspolitik« zusammenfasste, warf Köhler wegen Majestätsbeleidigung die Brocken hin.
Sein Nachfolger Christian Wulff musste dagegen gegangen werden. Der Mann ohne Eigenschaften hatte seinen Traumjob gefunden, was ihn nicht daran hinderte, über die Last des Amtes zu klagen. Wie gut es ihm in Wahrheit gefiel, zeigte sich, als er mit aller Macht daran festhielt, nachdem er bei wenig staatsmännischem Verhalten in seiner Zeit als niedersächsischer Landesvater – unter anderem Urlaube auf Kosten reicher Gönner – erwischt worden war (siehe Kapitel 1). Erst als die hannoversche Staatsanwaltschaft ihn aufs Korn nahm, zog er sichtlich betroffen die Konsequenzen. Wenn Gras über die Sache gewachsen ist, käme unter Umständen eine zweite Karriere als → Muttis Liebling für ihn infrage.
Wulffs Leid war Joachim Gaucks Freud. Der gelernte Pastor ergatterte den Job des Grüß-August, weil SPD, Grüne und FDP die Kanzlerin Merkel – die Gauck für ungeeignet hielt – ärgern wollten. Und weil Kandidaten, die bereits einen wirklich wichtigen Posten hatten wie Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, abwinkten. Gauck ist als Grüß-August eine Idealbesetzung, weil er sich außerordentlich gern reden hört und mit »Freiheit« ein Lieblingsthema hat, über das sich folgenlos schwadronieren lässt.
Die Gummipuppe
Kunstfigur in Reinform. Ist nichts, kann nichts, will viel. Recht erfolgreich dabei: Daniela Katzenberger. Die gelernte Kosmetikerin ließ sich zu einer besonders drallen Gummipuppe herrichten. Wasserstoffblond, mit je 350 Gramm Silikon in jeder Brust wirkt sie wie die Karikatur eines Männertraums, aber dennoch authentisch – was nicht zuletzt an ihrem kurpfälzischen Dialekt liegt, den sie liebevoll pflegt.
Die »Katze« (so nennt sie sich selbst) bekam schon in früher Jugend Einblicke ins Unterschichtenfernsehen: Ihre Mutter Iris ließ sich im Big Brother -Container von RTL II einsperren. Sie selbst wurde 2009 in der Sendung Auf und davon – Mein Auslandstagebuch (Vox) entdeckt, machte Karriere im Trash TV, brachte es zur Mitinhaberin eines nach ihr benannten Cafés auf Mallorca, vermarktet allerlei Produkte unter ihrem Namen und wurde sogar schon im Bundestag von Sigmar Gabriel erwähnt. Der SPD-Chef mit Hang zum Boulevardesken lästerte im Dezember 2010 über den PR-trächtigen Truppenbesuch des damaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (→ Der Blender) nebst Gattin in Afghanistan: »Ich finde«, sagte Gabriel, »Frau Katzenberger fehlt noch. Da hätten wenigstens die Soldaten was von.« Woraufhin sie mit einem offenen Brief in Bild konterte: »Lieber Sigi Knuddelbär […] Ich würde dort noch fehlen, sagten Sie. Und weil doch bald Weihnachten ist, möchte ich Ihnen diesen Wunsch sooo gern erfüllen.«
Das Geschäftsprinzip der Katzenberger beruht, wie bei vielen Medien-Homunculi, auf der engen Kooperation mit der Bild -Zeitung: Die schrille Blondine liefert verlässlich Storys, das Blatt sorgt für die notwendige Aufmerksamkeit, ohne die das Geschäft der Gummipuppe nicht liefe. Das betreibt sie mitBauernschläue und aus Überzeugung; Bernd Schumacher, ihr Manager, lobt ihr »riesiges Geltungsbedürfnis«. Was die Katzenberger von ihren Kolleginnen unterscheidet: Sie ist mit sich selbst im Reinen, sozusagen eine Art Buddha unter den Promis.
Das ist keine geringe Leistung, weil die Gummipuppe eine im Kern lächerliche Figur ist. So
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