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Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Titel: Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Bergmann
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Imagekampagne gebucht zu haben. Daum wurde einige Monate später als Kokser entlarvt, was er schließlich bei einer legendären Pressekonferenz auch gegenüber der Weltöffentlichkeit bekannte: »Ich habe Kokain genommen, aber nur gelegentlich im privaten Bereich.«
    Dass der Werbe-Nerver so nervt, liegt nicht zuletzt an der miserablen Qualität der TV-Spots mit ihm. Entweder bringt er keinen geraden Satz heraus oder ist so vielbeschäftigt, dass nicht genügend Zeit für die Dreharbeiten bleibt, oder wegen seiner hohen Gage muss an der Produktion gespart werden.Das Ergebnis ist Anti-Werbung, zu bestaunen beispielsweise auf YouTube. Dort findet man Boris Beckers legendär-hölzernen Aufsager für den Internetprovider AOL: »Ich bin drin. Das ist ja einfach.« Oder den um zwei Sondermodelle von Volkswagen herumstolzierenden Modezar Karl Lagerfeld, der so tut, als wundere er sich, dass es die formidablen Autos nur in Deutschland gibt – obwohl sie wegen ihres unglaublichen Schicks nach Mailand und Paris gehörten. Unfreiwillig komisch auch Johannes B. Kerner, der mit angeklebtem Bart für Müsliriegel wirbt, weil er als Junge mal Bauer habe werden wollen: »ehrliche, harte Arbeit, nicht so viel Gequatsche.« Woraus bekanntlich nichts wurde.
    Wer den guten Namen seines Unternehmens ruinieren möchte, tut also gut daran, Werbe-Nerver zu engagieren. Gelegentlich tritt allerdings auch der umgekehrte Fall ein, wie bei Manfred Krug. Dem Schauspieler tragen Telekom-Kleinaktionäre hartnäckig nach, dass er 1996 für die T-Aktie die Werbetrommel gerührt hatte, deren Kurs sich bekanntlich eher mangelhaft entwickelte. Das fiel Krug mehr als zehn Jahre nach seinem Reklame-Einsatz auch auf, und er leistete via Stern Abbitte: »Ich entschuldige mich aus tiefstem Herzen bei allen Mitmenschen, die eine von mir empfohlene Aktie gekauft haben und enttäuscht worden sind.«
    Eine Geste der späten Demut, wie sie anderen Werbe-Nervern auch gut anstünde.
Der Zerrüttete
    Ist bedürftig, abgebrannt und zynisch genug, den eigenen Niedergang vor aller Augen zu zelebrieren. Sein Motto: Call me pig, but call me! Routinier in dieser Rolle ist Mathieu Carrière, der einst unter der Regie von Volker Schlöndorff (»Der junge Törless«), Roger Vadim und Eric Rohmer spielte und zu den wenigen deutschen Schauspielern gehörte, die sich international einen Namen gemacht haben. Heute treibt er sich im Dschungelcamp herum, macht sich bei Let’s Dance zum Affen oder hockt mit anderen abgehalfterten Stars oder Möchtegern-Promis beim Perfekten Promi-Dinner – kurz: Er tut wirklich alles für Publicity. »Wo sich alle anderen Schauspieler bescheiden und erfolgreich geben«, hieß es bei Spiegel online über ihn, »da macht er gerne auf größenwahnsinnig und erfolglos, definitiv die interessantere Mischung.«
    Carrière ist absolut schmerzfrei und ziemlich clever. Allerdings kauft man auch ihm seine Auftritte nicht als Medienkritik eines Insiders ab, wie er gern glauben machen möchte. Zumal er sich selbst für höchst privat motivierte Anliegen auf den Boulevard begibt. Weil er das deutsche Sorgerecht dafür verantwortlich machte, dass er eine seiner Töchter nicht sehen durfte, ließ er sich 2006 vor dem Bundesjustizministerium an ein Kreuz fesseln – nicht ohne zuvor den Medien Bescheid zu geben, damit seine Show entsprechend gewürdigt würde. Wozu auch der programmierte Protest eines Klerikers zählte: Kardinal Georg Sterzinsky sprach von »Gotteslästerung«. In einem Interview zeigte sich Carrière hocherfreut über die Wirkung, die er auch theoretisch herleiten konnte: »Unser Konzept war einfach: Symbol, Aktion, Argumente, Veränderung. Wir brauchen ein starkes Symbol, in diesem Fall: Jesus am Kreuz. Mit derAktion zitieren wir das Symbol und erzeugen Aufmerksamkeit. Je heftiger, je ambivalenter die Reaktion, desto besser.« 6
    Über die Frage, ob der Tochter ein solcher Papi nicht vielleicht peinlich sei, hatte er anscheinend weniger nachgedacht.
    Der Typus des Zerrütteten muss nicht durchweg unsympathisch sein, weil darunter sensible Menschen mit großem Talent wie Amy Winehouse sind. Die Frau mit der eindrucksvollen Stimme und der Bienenkorbfrisur machte das große Publikum erst als Soulmusikerin und dann als Drogenwrack auf sich aufmerksam. Sie wurde zum Liebling der Klatschreporter, die sie nur allzu bereitwillig mit schaurig-schönen Bildern und Schlagzeilen wie dieser versorgte: »Amys 3-Tages-Tour: Kokain, Ecstasy,

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