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Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Titel: Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Bergmann
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natürlich nicht infrage kommen, heißen Promi-Gören zum Beispiel Sunday Rose (Nicole Kidman), San Diego (Verona Pooth), Jimmy Blue (Uwe Ochsenknecht), Peaches Honeyblossom Michelle Charlotte Angel Vanessa (Bob Geldof), Johan Riley Fyodor Taiwo Samuel (Heidi Klum) oder Elijah Bob Patricius Guggi Q (Bono) – und sind damit fürs Leben gebrandmarkt.
    Gern tragen Papi und Mami ihre herausgeputzten Nachkommen wie Accessoires mit sich herum und führen sie frühestmöglich in den Promi-Zirkus ein. Welches Verhältnis diese Leute zu ihren Kindern haben, gab exemplarisch André Heller zu Protokoll. Der Künstler erzählt gern eine peinliche Geschichte über seinen Sohn, die wir hier nicht wiederholen wollen. Auf die Frage, ob der mittlerweile erwachsene Heller junior sich dies nicht verbeten habe, antwortete Heller: »Nein, das hat er nicht, weil er aus vielen Gesprächen weiß, dass dies eine Schlüsselgeschichte in meinem Leben ist. Das wäre so, als wenn man zu Franz Beckenbauer sagen würde: ›Mensch, lass mal die Geschichte, wie du Weltmeister wurdest.‹« 2 Soll heißen: Ich bin die Mitte des Universums, um die alles zu kreisen hat, inklusive meines Kindes.
    Die Hybris der Promis ist gepaart mit wenig ausgeprägtem Schamgefühl und großem Übermut, weshalb sie regelmäßig in kleinere oder größere Fettnäpfchen tappen. Was brachte den damaligen Bundesaußenminister Joschka Fischer dazu, neben seinem anstrengenden Job im aufdringlichen Selbsterfahrungs-Jargon ein Buch über seinen Kampf gegen die Pfunde zu schreiben: »Am Ende dann, mit meinen 112 Kilogramm Lebendgewicht, war mein Aktionsradius schließlich auf die Größe eines Bierdeckels geschrumpft, und das war eine bittere Erkenntnis für mich, von der optischen Erscheinung ganz zu schweigen!« 3 ? Wie konnte Ernst August von Hannover so dreist sein, beim Besuch der Expo in Hannover gegen den türkischen Pavillon zu urinieren, was diplomatische Verwicklungen zur Folge hatte und ihm den wenig schmeichelhaften Spitznamen »Pipi-Prinz« eintrug? Warum vergnügte sich der als Fernseh-Moralist bekannt gewordene Michel Friedman mit osteuropäischen Zwangsprostituierten in einem Berliner Luxushotel – also quasi in aller Öffentlichkeit?
    Die Antwort lautet: Weil das Rampenlicht fast jeden blendet – auch kluge Leute, die es eigentlich besser wissen müssten. Weil allzu viele vergessen, dass sie nicht allein auf der Welt sind und bestimmte Regeln für jedermann gelten. Und dass es zu den beliebtesten Übungen der Medien gehört, Stars und Sternchen erst auf den Sockel zu heben, um sie dann wieder hinunterzustürzen.
    Nun gäben Promis natürlich nie offen zu, das Gefühl zu haben, der Welt der Normalsterblichen entrückt zu sein. Michel Friedmans Antwort auf eine entsprechende Frage im Zusammenhang mit seiner Koks- und Huren-Affäre ist trotzdem interessant. Er sagte: »Es gab zwar – und gibt auch heute noch – Momente, in denen ich merke, dass ich über ein besonderes Instrumentarium verfüge, mit dem ich Menschen und Sachverhalte beeinflussen kann. Ich erlebe dann aber keinen Adrenalinstoß, sondern bin vielmehr erschrocken über mich selbst.« 4
    Erschrecken darüber, was für ein toller Hecht man ist – schöner lässt sich der tragikomische Narzissmus der Promis nicht auf den Punkt bringen.
Der Widerspruch zwischen Image und ich
    Wer prominent wird, gewinnt an Bekanntheit und verliert zugleich unweigerlich an Einfluss auf sein eigenes Bild in der Öffentlichkeit. Eine unangenehme Erfahrung. Schon Kim Novak, Hollywoodstar der Fünfziger- und Sechzigerjahre klagte, sie werde behandelt wie »öffentliches Eigentum«. Das ist der faustische Pakt zwischen den Medien, die in der Lage sind, Menschen bekannt zu machen, und den Prominenten, die davon profitieren möchten. Sie werden zu Kunstfiguren, die allein in den und für die Medien existieren, um dort bestimmte Rollen auszufüllen. Das gelingt erstaunlich gut, denn wir alle haben Bilder von Menschen des öffentlichen Lebens vor Augen. Doch die Vorstellungen, die wir von ihnen haben, müssen mit deren wirklicher Persönlichkeit nicht unbedingt etwas zu tun haben. Zwar liegen Image und Ich in aller Regel nicht so meilenweit auseinander wie bei Knut, dem berühmtesten Eisbären aller Zeiten, doch zuweilen tun sich Abgründe auf. Zum Beispiel bei dem als Volksschauspieler bekannt gewordenen Walter Sedlmayr. Er galt als uriger, grantelnder Vorzeige-Bayer, trat in Janker und mit Dackel auf und stand als ideale

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