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Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Titel: Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Bergmann
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Süddeutschen Zeitung analysierte. »Die nach außen schroff erscheinende Abwendung von jenen, die etwas von ihm wollen, ihn gar bewundern, ist ein außerordentlich wichtiger Teil jener in der kauzigen Abwehr schon wieder liebenswürdigen Altersperson.« Der Mann, den man früher Schmidt-Schnauze nannte und der später zu einem der fleißigeren Autoren des Blattes wurde, dessen Mitherausgeber er seit 1983 ist, verfügt zudem über die Fähigkeit, sich in ein und demselben Satz selbst zu preisen und andere zu beleidigen. »Für einen Journalisten«, sagte er anlässlich des Henri-Nannen-Journalistenpreises, der ihm 2010 für sein publizistisches Lebenswerk verliehen wurde, »bin ich nicht oberflächlich genug.«
    Sympathisch, immerhin: Wenn der Spätzünder Schmidt gelegentlich in sich geht, ist ihm seine Popularität selbst unheimlich.
    Das kann man über Heiner Geißler nicht sagen, der die Rolle seines Lebens gefunden hat. Der ehemalige CDU-Generalsekretär und laut Willy Brandt »größter Hetzer seit Goebbels« – der in den Achtzigern mit der Behauptung, der Pazifismus habe Auschwitz erst möglich gemacht, die Friedensbewegung frontal attackierte – gilt heute als voll rehabilitiert. Er ist Mitglied bei den Globalisierungsgegnern von Attac, darf alle naslang als »kontroverser Querdenker« ( FAZ ) in Talkshows auftreten und – wiewohl früher ein notorischer Streithansel – sogar Streit schlichten. Zum Beispiel den zwischen den Befürwortern und Gegnern des Bahnhofsprojekts Stuttgart 21, live übertragen im Fernsehen. Dort gab Geißler den strengen Erzieher und bügelte unter anderem den grünen Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, so ab:
    Palmer: »Herr Doktor Geißler, ich möchte aber mal über die Art und Weise, wie wir hier diskutieren, jetzt einen Satz verlieren …«
    Geißler: »Nein. Entschuldigung, wir machen das, was ich sage.«
    Auf diese Weise wurde der selbstgewisse Alte zum Medienliebling. Wolfram Weimer, damals noch kurzzeitig Chefredakteur des Focus , lobte ihn in der Talkshow Hart aber fair als heiligen »Nikolaus der CDU: Der kommt mit der Rute rein, aber er bringt eben auch das Geschenk der Versöhnung und macht es möglich, dass unter dem Weihnachtsbaum eine schwäbische Eisenbahn fahren darf.« In der Zeit war vom »Wundermann« die Rede, Spiegel online pries die »Weisheit von Yoda Geißler«. Nie war der Alte beliebter denn heute. Kleiner Wermutstropfen: Im Überschwang fiel der Schlichter Geißler dann doch wieder in alte Gewohnheiten zurück und zitierte bei der Auseinandersetzung um das Bahnhofsprojekt Joseph Goebbels’ Sportpalast-Rede: »Wollt ihr den totalen Krieg?«
    In der Spätphase des Spätzünders geht es nur noch ums Durchhalten – je länger, desto besser. Johannes Heesters, niederländischer Schauspieler, der 1936 nach Nazi-Deutschland auswanderte, um dort als Unterhaltungskünstler die Stimmung zu heben, war Kult, spätestens seitdem die 100 überschritten war. Die Bild gratulierte danach jedes Mal groß zum Geburtstag: »Glückwunsch, alter Junge!« Fragte schon mal: »Lebt Jopi ewig? Hat ihn der liebe Gott vergessen?« Und berichtete über die vergeblichen Versuche des »Show-Dinos«, dem Nikotin zu entsagen: »Ich habe mit 106 aufgehört und jetzt mit 107 wieder angefangen. Auch wenn es ungesund ist.«
    Nur in seiner alten Heimat war Jopi wegen seiner Karrierein der NS-Zeit unerwünscht. Vor einigen Jahren besuchte ihn ein niederländisches Fernsehteam und befragte den Greis nach seiner Meinung zu Hitler. Heesters’ Antwort: »Adolf Hitler, ja Gott, ich kenne den Mann wenig, aber ein Kerl, weißt du, das war er, ein guter Kerl.« Seine Frau Simone Rethel – »Jopi, was redest du?!« – versuchte noch zu retten, was zu retten war. Vergeblich. Heesters’ »letzter Vorhang« ( Bild ) fiel an Heiligabend 2011 mit 108.
    Zu hoffen ist, dass sich mit der allgemeinen Vergreisung der Gesellschaft das Phänomen des Spätzünders erledigen wird.
Der Tölpel vom Dienst
    Ist nicht nur unterbelichtet, sondern stellt das auch gern zur Schau. Einer der größten: Lothar Matthäus. Sein an sich vernünftiges Lebensmotto lautet: »Ein Mann muss im Leben Entscheidungen treffen. Ob die dann richtig sind, stellt sich oft erst hinterher heraus.« Nur leider lernt der Fußballlehrer Matthäus wenig aus seinen Fehlern. Das gilt besonders für die Partnerwahl. Er hat ein Faible für deutlich jüngere, hübsche Dinger, die ihn nach einer gewissen Zeit mit großer

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