Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode
der Pubertät auch bei ihnen für die Einsicht, dass das Leben kein Ponyhof ist.
Wir müssen uns Prominente als verwöhnte Gören vorstellen – nur ohne den segensreichen Einfluss von Kindergarten, Schule und Pubertät. Sie werden von ihrer Entourage, von Journalisten und Fans ständig begleitet, jeder Schritt, den sie tun,jeder noch so banale Satz, den sie sagen, findet Beachtung. So bekommen sie den Eindruck, ungeheuer wichtig zu sein. Viele bleiben zeit ihres Lebens schwer abhängig von der Aufmerksamkeit anderer. Wie ungezogene Vierjährige tun sie alles, um Resonanz zu erzeugen. Sie blühen auf, wenn sie Publikum haben, und fühlen sich entsetzlich leer, wenn sie mit sich allein sind.
Ihr Nervpotenzial ist auch deshalb so hoch, weil es sich bei den Menschen, die ins Licht der Öffentlichkeit drängen, nicht um einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung handelt. Nachdenkliche, ängstliche und nach innen gekehrte Zeitgenossen, Zweifler, Grübler und Tüftler, die ganz in ihrer Arbeit aufgehen, sind eher selten vertreten. Dafür umso mehr narzisstische Persönlichkeiten, deren Schwächen durch die übermäßige Beachtung, die man ihnen schenkt, noch verstärkt werden. So ergab die weltweit erste Studie des amerikanischen Medien- und Kommunikationsexperten Mark Young und des Psychiaters Drew Pinsky über die Persönlichkeit von Prominenten, dass Stars niemanden so sehr lieben wie sich selbst. Pinsky, in den USA besser bekannt als »Dr. Drew«, war Moderator einer Radioshow und interviewte unter anderem Prominente wie Renée Zellweger, Lindsay Lohan und Jim Carrey. Anschließend bat er seine Gesprächspartner, einen Persönlichkeitstest auszufüllen. Rund 200 machten mit. Ergebnis: Fast alle erwiesen sich als extrem ich-bezogen. Und zwar umso mehr, je weniger Fähigkeiten sie mitbrachten. Das heißt, diejenigen, die sich mit Haut und Haaren dem Geschäft mit der Eitelkeit verschreiben, die nichts können, außer sich selbst zu inszenieren, die kein Leben haben außerhalb der Medienwelt, sind eigentlich Fälle für den Therapeuten.
Doch bedauerlicherweise sind nur wenige Prominente fähig zur Selbstkritik wie Woody Allen, der seit Jahrzehnten regelmäßig zum Psychoanalytiker geht. Allzu viele Berühmtheitenleben ihre Defizite ungebremst aus. Sie sind überempfindlich, chronisch unzufrieden, blind für die Bedürfnisse anderer und verfolgen rücksichtslos ihre Interessen. Wer mit ihnen zu tun hat, braucht ein dickes Fell.
Als Angestellter von Naomi Campbell empfiehlt es sich zudem, einen Helm zu tragen, denn das Supermodel rastet gelegentlich aus: 2007 warf es seiner damaligen Mitarbeiterin Ana Scolavino ein Handy an den Kopf. Ein Gericht verurteilte die Campbell daraufhin zu fünf Tagen gemeinnütziger Arbeit und einem Aggressionsbewältigungskurs. Offenbar ohne nachhaltige Wirkung, denn 2008 wurde sie erneut zu 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt, weil sie zwei Polizisten an Bord eines Flugzeugs attackiert hatte. Weitere Ausraster folgten. Die britische Autorin Marina Hyde stellte der Campbell eine Diagnose, die viele Stars sich hinter den Spiegel stecken könnten: »Sie sind verwöhnt und unangenehm und bewegen sich hauptsächlich in einem Umfeld, in dem das keine Konsequenzen hat.« 1
Zwar neigen nicht alle Berühmtheiten zu physischer Gewalt, doch viele legen ein Sozialverhalten an den Tag, für das es bei Grundschülern einen Schulverweis setzte. Sie sind häufig nicht team- und wegen ihrer medialen Allgegenwart auch nicht beziehungsfähig. Das klingt überraschend, weil diese Leute doch so viele Bewunderer haben. Doch das Interesse der Fans gilt nicht dem echten Menschen, sondern der Rolle, die ein Prominenter verkörpert. Außerdem ist es unmöglich, zu einer großen Zahl von Menschen in eine wirkliche Beziehung zu treten, weshalb auch meist PR-Leute die Fan-Post für die Berühmtheiten beantworten, ihre Facebook-Seite pflegen oder für sie twittern. Das Verhältnis zwischen Prominenten und Publikum ist für beide Seiten ungesund, weil es auf Lügen und Selbsttäuschungen beruht.
Im wirklichen Leben steht der Narzissmus der Prominenten dauerhaften Bindungen im Wege. Die Halbwertszeit ihrer Ehen liegt deutlich unter der von gewöhnlichen Leuten, echte Freundschaften unter ihnen sind rar, und als vorbildliche Eltern können die meisten kaum gelten. Der Nachwuchs wird entweder ignoriert oder für eigene Zwecke instrumentalisiert. Das fängt schon mit der Taufe an. Weil Allerweltsnamen
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