Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode
– es gibt wirklich nichts, was nicht öffentlich gemacht wird. Etliche Prominente setzen sich auch gern jeglicher Dauerbeobachtung aus, ja, sie fühlen sich unwohl, wenn irgendwo mal keine Kamera läuft.
In dieser schönen, neuen Promi-Welt wäre durchaus Gelegenheit, den Darstellern auf die Spur zu kommen, ihre Art der Inszenierung kritisch zu reflektieren. Doch das geschieht kaum, denn dann müssten die Medien ihre eigene Rolle hinterfragen. Dazu neigen Klatschjournalisten aber eher selten. Es geht ihnen nicht um Information, sondern um Unterhaltung. Nicht um echte Menschen, sondern um eingängige Typen mit hohem Wiedererkennungswert wie den »Pop-Titan« Dieter Bohlen, das sexy Dummchen Paris Hilton oder den ewigen Nachfolger Prinz Charles.
So werden Prominente wie Serienschauspieler auf die immergleichen Rollen festgelegt. Sie verlieren die Kontrolle über ihr Image, das ist der Preis, den sie für ihre Bekanntheit zahlen. Für viele bedeutet das eine narzisstische Kränkung, sie sind nicht mehr Herr ihres Bildes in der Öffentlichkeit.
Wer sich mit bekannten Menschen unterhält, hört unisono die Klage, dass die Medien ein falsches Bild von ihnen zeichneten. In Wirklichkeit sei man ganz anders: vielschichtiger, begabter, klüger, netter, interessanter. Je nach Intelligenzquotient gehen die Prominenten auf unterschiedliche Weise mit dem Problem um. Die einen jammern und appellieren – vergeblich – an die Medien, sie endlich anders, nämlich richtig wahrzunehmen. Die anderen geben sich abgeklärt, behaupten, das Spiel durchschaut zu haben und über den Dingen zu stehen. Zu ihnen zählt die heutige Bundesarbeits- und frühere Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU). Sie sagte einmal in verdächtig verständnisvollemTon, dass die Medien nur selten ein differenziertes Bild zeichnen könnten. Also griffen sie sich »den Teil der zu beschreibenden Person heraus, der scheinbar am typischsten ist. Auf diese Weise entstehen Klischees, die dem Leser zugleich das Verständnis einer Geschichte erleichtern. […] Ich habe gelernt, solche Images zu akzeptieren, sie aber nicht zu verinnerlichen.« Die Power-Mutter möchte also auch in dieser Beziehung perfekt sein.
Aber natürlich träumt sie wie alle davon, mehr Einfluss auf ihr öffentliches Bild zu bekommen. Oder sich zumindest gelegentlich neu zu erfinden. Doch die wenigsten Prominenten sind begabt, mutig und einflussreich genug, das tatsächlich zu tun. Einer, der mit seinen Images ebenso virtuos umgeht wie mit Musikstilen, ist Bob Dylan. Bekannt geworden als Folk-Sänger, stieß er seine Fans Mitte der Sechzigerjahre vor den Kopf, als er zur elektrischen Gitarre griff und dafür von manchen als »Judas« beschimpft wurde. Als Rockmusiker wurde er ein Weltstar. Was ihn nicht davon abhielt, sich später der Countrymusik und dann dem Christentum zuzuwenden. Dylans Credo ist: Lass dich nicht vereinnahmen. Und nimm den Irrsinn der Mediengesellschaft mit Humor. Bei seinen Konzerten lässt er sich mit folgenden Sätzen vorstellen: »Ladies and gentlemen, please welcome the poet laureate of rock ’n’ roll. The voice of the promise of the ’60s counterculture. The guy who forced folk into bed with rock. Who donned makeup in the ’70s and disappeared into a haze of substance abuse. Who emerged to find Jesus. Who was written off as a has-been by the end of the ’80s, and who suddenly shifted gears releasing some of the strongest music of his career beginning in the late ’90s. Ladies and gentlemen – Columbia recording artist Bob Dylan.« *
* Frei übersetzt: »Meine Damen und Herren, bitte heißen Sie den Dichterfürsten des Rock ’n’ Roll willkommen. Die Stimme der Gegenkultur der 60er-Jahre. Den Mann, der dafür gesorgt hat, dass Folk und Rock es miteinander trieben. Der in den 70ern neue Rollen ausprobierte und sich in mancherlei Nebeln verloren hat. Der sich aufmachte, Jesus zu finden. Der Ende der 80er schon abgeschrieben war als ein Mann von gestern und in den späten 90ern plötzlich aufdrehte und die beste Musik seiner Karriere machte. Meine Damen und Herren, hier ist der Künstler des Columbia-Labels – Bob Dylan.«
Eine Ausnahmeerscheinung. Etwas häufiger geschieht es, dass sich Prominente, die die Bodenhaftung noch nicht verloren haben, freiwillig aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Zum Beispiel Joel Dacks, der in den Achtzigerjahren als Kinderstar in der deutsch-kanadischen Serie »Der kleine Vampir« sehr populär wurde. Danach folgten
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