Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode
einige Nebenrollen, bis er aus dem Filmgeschäft ausstieg und Biochemie studierte. Heute ist der mehrfach ausgezeichnete Forscher Professor am Institut für Zellbiologie der Universität von Alberta. Er habe festgestellt, so Dacks, dass er nicht wirklich für die Arbeit als Schauspieler brenne.»Mich interessiert und begeistert die Wissenschaft.«
Die meisten Prominenten tun sich all ihren Klagen zum Trotz sehr schwer damit, aus ihrer Rolle auszubrechen – selbst wenn das Schicksal mit dem Zaunpfahl winkt. So war der Moderator Michel Friedman nach dem Skandal wegen seiner Vorliebe für Drogen und Prostituierte eine Weile weg vom Fenster. Genügend Zeit, darüber nachzudenken, ob sein Job als notorischer Besserwisser im Fernsehen noch zu ihm passte. Als erfolgreicher Anwalt war er nicht darauf angewiesen und hätte sich wegen seines Engagements in der CDU und der Jüdischen Gemeinde auch nicht übermäßig langweilen müssen.
Doch Friedman entschied sich anders, nämlich für die vom PR-Berater Klaus Kocks »Bill-Clinton-Nummer« genannte Kommunikationsstrategie. Der Moderator ließ bei einer Pressekonferenz die Hosen runter, räumte seine Fehler ein (wobei er allerdings betonte, nicht gewusst zu haben, dass es sich bei seinen Gespielinnen um Zwangsprostituierte handelte) und machte bei der Gelegenheit seiner heutigen Frau Bärbel Schäfer gleich noch eine Liebeserklärung.
Ein pathetischer, aber auch cleverer Umgang mit den eigenen Fehltritten. Skandale brauchen symbolische Opfer, erst dann scheint das Unrecht gesühnt, und die Medien geben Ruhe. Friedman hat das verstanden, hat mit großer Geste seine Schuld eingeräumt, sich also selbst zum rituellen Opfer gemacht und auf Rehabilitierung gesetzt. Drei Monate später war er wieder da, wo er sich am liebsten aufhält: in einem Fernsehstudio. Heute macht er bei dem Kleinstsender N24 das, womit er bekannt wurde: in einer unnachahmlich aufdringlichen Art Interviewgäste grillen. Er kann nicht ohne Scheinwerferlicht sein.
Cold Turkey
Der Fall Friedman zeigt exemplarisch, dass es der größte Wunsch von Prominenten ist, prominent zu bleiben. Warum nur? Etwa aus existenzieller Not? Oder nur, um an der Vervollkommnung des eigenen Denkmals für die Nachwelt mitzuwirken?
Beide Motive erscheinen unwahrscheinlich, denn etliche, die verzweifelt um Beachtung buhlen, haben Beachtliches geleistet und finanziell ausgesorgt. Sie könnten zufrieden sein mit dem, was sie erreicht haben. So hätte Lothar Matthäus als Rekordnationalspieler und gleich zweifacher Weltfußballer des Jahres in die deutsche Sportgeschichte als unerreichtes Vorbild eingehen können. Stattdessen lässt er uns alle via RTL, Bild und Bunte an seinen amourösen Abenteuern mit deutlich jüngeren Frauen, den darauf folgenden Hochzeiten, Trennungen und Scheidungen – kurz: an seinem unreifen Liebesleben – teilhaben. Obwohl er doch mittlerweile erkannt haben müsste, dass er sich damit zur Witzfigur macht.
Gotthilf Fischer wurde hierzulande mit den nach ihm benannten Laien-Chören bekannt, die an allen möglichen Orten Volkslieder zum Besten geben. Doch das reichte dem Mann nicht. Er ließ für eine Fernsehsendung, nur mit Unterwäsche bekleidet, im reifen Alter von 73 – nach dem Vorbild von Nadja »Naddel« Abd El Farrag, die ihre Brüste hatte wiegen lassen – seinen Penis wiegen. Um hinterher wenig glaubhaft zu klagen, er sei hereingelegt worden. Glücklicherweise verschonte Sat.1 uns mit diesem Tiefpunkt des Trash TV und strahlte die Sendung nicht aus.
Heide Simonis brachte es als erste Frau überhaupt in Deutschland zur Ministerpräsidentin und dank ihrer Schlagfertigkeit zu einiger Beliebtheit über die Grenzen Schleswig-Holsteins hinaus. Nach ihrer Abwahl fiel die Sozialdemokratin dann, wie sie selbst zugab, in ein tiefes Loch. Und kam auf die nicht so gute Idee, beim B- und C-Promi-Wettbewerb Let’s Dance mitzuwirken, wo sie keine bella figura machte und von der Bild -Zeitung als »Hoppel-Heide« verspottet wurde. Simonis meldete sich krank und stieg aus der Show aus.
Wie kann es sein, dass eine mit allen Wassern gewaschene Politikerin, ein Medienprofi wie sie, in solch eine Falle tappte? In ihrem Buch »Unter Männern« schreibt Simonis über »die Angst vor der Leere und der Stille, wenn plötzlich keine Kameras und Mikrofone mehr um einen sind, man von heute auf morgen keine Einladungen mehr bekommt, wenn man bemerkt, dass die Leute, die früher immer hinter einem hergerannt sind, jetzt
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