Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode
Reklamefigur im Sold der Paulaner Brauerei. Aber in Wahrheit verabscheute er Volkstümelei. Er träumte davon, als ernsthafter Schauspieler anerkannt zu werden, und lebte heimlich seine Homosexualität und seinen Masochismus aus. Davon erfuhr die Öffentlichkeit erst nach seinem gewaltsamen Tod, was die Brauerei – um ihr Image besorgt – veranlasste, die Kampagne mit ihm umgehend zu stoppen.
Es war Sedlmayr selbst, der der Welt mithilfe der Medien eine Figur vorspielte, die er verachtete. Er litt darunter, hatte aber nicht die Kraft, aus seinem goldenen Käfig auszubrechen. Diesen Konflikt gibt es, seit es Prominente gibt. In der Frühzeit Hollywoods waren es die Filmstudios, die darüber wachten, dass auch ja keine Information über die Stars an die Öffentlichkeit drang, die ihr sorgfältig konstruiertes Image beschädigen könnte. Der Star hatte ein Sehnsuchtsbild zu verkörpern, ein Idol, das bewundert wird und weit entfernt ist vom grauen Alltag. Menschen aus Fleisch und Blut mit Ängsten und Sorgen, wie wir sie alle kennen, taugen nicht dazu.
Zudem dürfen Prominente keinesfalls komplexe Charaktere sein, weil dies das Publikum verwirren könnte. Eine, die das früh erkannte und mit ihrer Rolle haderte, war die in den Vierziger- und Fünfzigerjahren populäre Hollywoodschauspielerin Hedy Lamarr. Von ihr stammt das noch heute aktuelle Bonmot: »Jedes Mädchen kann glamourös sein. Alles was du zu tun hast, ist still zu stehen und dumm zu gucken.«
Dass die Lamarr mehr draufhatte, blieb lange verborgen. Hedwig Kiesler, so Lamarrs richtiger Name, hatte 1937 das nationalsozialistische Deutschland verlassen. Bekannt geworden war sie 1933 mit dem österreichisch-tschechischen Film »Ekstase« und der ersten aufsehenerregenden Nacktszene der Filmgeschichte. Danach heiratete sie einen Rüstungsfabrikanten, der sich als Tyrann entpuppte und mit den Nazis Geschäfte machte, die sie verabscheute. Kiesler ließ sich scheiden und floh erst nach Paris und dann nach London. Dort wurde sie von dem mächtigen amerikanischen Studio-Boss Louis B. Mayer entdeckt. Bevor sie ihre Karriere in Hollywood fortsetzen konnte, musste sie ihren Namen ändern. Darauf bestand Mayer – Stichwort Imagekontrolle –, damit sie ja nicht mit dem Nacktskandal aus Europa in Verbindung gebracht werden konnte. Sie willigte ein.
Allerdings reichte ihr die Rolle als »schönste Frau Hollywoods« ( International Herald Tribune ) nicht. Sie war technisch versiert, hatte von ihrem Ex-Mann einiges über Waffen gelerntund wollte dieses Wissen gegen die Nazis verwenden. 1941 entwickelte die Lamarr gemeinsam mit dem Avantgardemusiker und Filmkomponisten George Antheil eine Technik, mit der von U-Booten abgefeuerte Torpedos störungsfrei ihr Ziel erreichen konnten. Ihre später patentierte Erfindung »für ein geheimes Kommunikationssystem« schenkten sie der US-Army. Das Duo war seiner Zeit weit voraus. Ein auf ihrer Entwicklung basierendes Verfahren wurde erst in den Sechzigerjahren für militärische Zwecke verwendet und in den Achtzigern für zivile. Heute nutzt fast jedes Smartphone, jeder Laptop und jedes Navigationssystem den Geistesblitz des Hollywoodstars.
Hedy Lamarr hätte gerne weiter auf diesem Gebiet gearbeitet. Doch die Fachleute, die ihre Idee begutachtet und patentiert hatten, rieten ihr ab: Sie solle lieber ihre Filmkarriere verfolgen, was sie ohne Begeisterung auch tat. Eine Verschwendung von Talent. Die Frau hätte noch viel zum Fortschritt und zu ihrem eigenen Glück beitragen können.
Das Hollywood-Studio-System ist Geschichte, eine zentral gesteuerte Imagekontrolle der Stars inzwischen kaum noch möglich. Das liegt einerseits daran, dass immer mehr Blätter und Sender Medienmenschen brauchen, mit deren Storys sich Seiten und Sendungen füllen lassen, neben wirklichen Stars auch Promis der B-, C-und D-Kategorie. Und zweitens muss man sich heute mächtig anstrengen, um im Gespräch zu bleiben (vgl. Kapitel 1). Dummerweise bieten die beruflichen Leistungen der Celebrities – sofern sie überhaupt etwas leisten – nicht genügend Stoff. Deshalb muss ihr Privatleben herhalten. Liebschaften, Verlobungen, Hochzeiten, Seitensprünge, Scheidungen, Geburt, Erziehung und Entwicklung der Kinder, die Art der Wohnungseinrichtung, die Rasse des Schoßhundes, Krankheiten und Unfälle, Konvertierung zum Katholizismus, Buddhismus oder Islam, geglückte oder missglückte Outfits, Verfehlungen aller Art, Sucht und Entzug, Kräche und Versöhnungen
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