Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)
in den Rückspiegel und stieg aus. Das war inzwischen zur Gewohnheit geworden.
In Daniels Büro brannte Licht. Sie klopfte an die Tür, stieß sie auf, er streckte seinen Kopf aus dem Hinterzimmer.
»Hey, Puncher, was macht Ihr Kopf?«
»Er sitzt noch auf den Schultern, aber viel mehr auch nicht.«
»Ich habe sowieso nicht geglaubt, dass Sie sich an Ihre eigenen Worte halten würden.«
»Und die waren?«
»Dass Sie zu Hause bleiben und warten würden, bis die Welt ihren Scheiß geregelt kriegt.«
»Habe ich das gesagt? Nun, könnte sein, dass sie Fortschritte gemacht hat. Die Polizei hat gestern Nacht meinen Stalker gefasst. Sie haben ihn in einem Parkhaus aufgespürt. Er trug noch die Sturmhaube.«
Er nickte beeindruckt und kam auf sie zu. »Gut zu hören.«
»Ich, äh, wollte mich dafür entschuldigen, dass ich gestern Abend eingeschlafen bin. Hoffentlich muss ich mich nur dafür entschuldigen.«
Er zog eine Augenbraue hoch.
Sie zuckte zusammen.
»Keine Sorge, da gibt es nichts zu entschuldigen. Nicht einmal die Ohnmacht. Sie haben noch geatmet, also habe ich mir keine Sorgen gemacht.«
»Sie haben meine Atmung kontrolliert?«
»So was tu ich besonders gerne.«
»Okay, na dann, vielen Dank für die stabile Seitenlage.«
»Immer wieder gerne.«
Als sie die Tür schloss, fragte sie sich, ob das eine Aufforderung war. Doch während sie den Gang entlang zu ihrem Büro lief, musste sie an die Geschichte denken, die er ihr gestern Abend erzählt hatte. Er hatte vier Opfer hintereinander verloren und eine zwölfjährige Karriere an den Nagel gehängt, weil er an seinen Fähigkeiten, Menschen zu retten, zweifelte. Machte er sich Gedanken darüber, Menschen am Leben zu erhalten?
Teagan sah kurz auf, als Liv die Tür zu Prescott and Weeks aufstieß.
»Oh, Liv. Du bist da.«
Liv blieb stehen, als sie Teagans besorgtes Gesicht sah. Hatte Kelly ihr von Tobys Angebot erzählt? Teagan war nur eine Aushilfe und stand nicht an oberster Stelle der Liste von Menschen, die es erfahren mussten, aber sie war Kellys Nichte und würde auch ihren Job verlieren, wenn Kelly bei ihrer Entscheidung blieb. »Hat Kelly schon mit dir geredet?«
Teagan nahm einen rosafarbenen Zettel vom Tresen und hielt ihn ihr hin. »Sie hat angerufen und gesagt, sie fährt direkt zu einem Termin mit Toby Wright.«
Liv nahm den Zettel, las ihn und zerknüllte ihn in der Faust. »Scheiße.«
»Möchtest du sie anrufen?«
O ja. Sie wollte sie am liebsten an einen Stuhl fesseln und ihr den Kopf waschen. Doch es gab kein Gespräch mehr darüber. Es war gelaufen. Kelly hatte eine Entscheidung getroffen, Liv hatte nichts mehr zu sagen. Das bedeutete das Ende von Prescott and Weeks. Und vielleicht nicht nur das Ende einer Geschäftsbeziehung. Freunde waren dazu da, dass sie einem zur Seite standen, und nicht, einem das Leben aus den Händen zu nehmen. »Nein, möchte ich nicht. Jedenfalls jetzt nicht.« Sie warf den pinkfarbenen Zettel auf den Tresen, drehte sich um und wollte gehen.
»Liv?«
»Was?«
»Du hast schon wieder so einen Brief bekommen.«
»Wie bitte?«
Teagan hielt ihr einen Plastikumschlag hin. Darin befand sich ein leerer weißer Umschlag. »Als ich sah, was es war, habe ich ihn nur einmal angefasst.«
»In Ordnung. Die Polizei hat ihn gestern Abend geschnappt, er muss ihn vorher abgeliefert haben.«
»Er lag heute Morgen unter der Tür.«
Liv sah ihn einen Augenblick an und dachte darüber nach. »Unter unserer Bürotür oder der Tür zur Straße?«
»Na ja, ich habe ihn unter unserer Tür gefunden, Ray hat aber gesagt, dass er ihn heute Morgen unter der Eingangstür gefunden und dann bei uns reingeschoben hat.«
»Der Kerl hat ihn bestimmt am Wochenende abgeliefert.«
»Nee. Ray hat gesagt, dass er gestern noch nicht da war, als er den Eingang gesaugt hat.«
Liv erschrak. Wenn die Leute am Wochenende arbeiteten, saugte Ray immer am Sonntagabend. Er mochte es, wenn die Gänge am Montagmorgen picobello sauber waren, hatte er einmal zu ihr gesagt, als er ihr zum ersten Mal mit dem Staubsauger auf dem Rücken gefolgt war. »Wann war das?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Teagan achselzuckend.
Liv wischte sich eine Hand am Rock ab, nahm Teagan den Plastikumschlag aus der Hand und hielt ihn an einer Ecke fest, als könnte er bei der geringsten Bewegung explodieren. Das Schwein aus dem Parkhaus war nachts hier in der Nähe gefasst worden. Vielleicht hatte er auf dem Weg zu seinem nächsten Opfer einen kurzen Zwischenstopp
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