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Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)

Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)

Titel: Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaye Ford
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sollte. Dann setzte sie sich und starrte auf den Brief, Angst schnürte ihr die Kehle zu. Sie hatte nach jemandem mit Verletzungen Ausschau gehalten, wonach zum Teufel sollte sie sich jetzt umsehen?
    Draußen auf dem Flur liefen Leute vorbei und eilten zum Parkhaus. Ein paar Mädchen vom Reisebüro, Scott, der Hypothekenmakler. Ihr wurde schlecht. Es kann jeder sein, Liv. Sie hatte an Angestellte der Geschäfte auf der Park Street gedacht, Stammgäste des Cafés, Büroangestellte, Leute, denen sie begegnete, zulächelte. Keine Freunde, nicht einmal Bekannte. Jemand, der sie heimlich aus der Ferne beobachten konnte. Und sie hatte an einen Mann gedacht. Aber vielleicht stand die Person ihr noch näher, vielleicht befand sie sich im selben Gebäude, vielleicht war es jemand, den sie »Kollege« nannte. Oder Freund.
    Liv zuckte zusammen, als sich die Eingangstür öffnete und Teagan munter »Hallohoo!« rief. Die Kleine war unsicher und gehemmt gewesen, als sie bei ihnen zu arbeiten begonnen hatte, es hatte Wochen aufmunternder Worte bedurft, bis sie lockerer wurde und die Besucher mit einem netten Lächeln und einer freundlichen Stimme begrüßte. Nun erschien Liv die Freundlichkeit deplatziert, ja unvorsichtig. Liv wollte sie zu sich rufen, dann sah sie Kelly am Empfang.
    Es war vollbracht. Kellys schneller, verstohlener Blick in Livs Richtung sagte alles. Jetzt pulsierte nicht mehr nur Angst in ihrem Kopf.
    Ihre Freundschaft war, solange sie denken konnte, eine Konstante in ihrem Leben gewesen. Über dreißig Jahre hatten sie zusammen gespielt, studiert und gearbeitet. Sich gegenseitig zu unterstützen, war so natürlich wie atmen. Sie sollte zu ihr gehen, ihr die Neuigkeit verkünden – die gute sowie die schlechte –, wie sie das immer getan hatte, doch sie war wütend und verletzt und enttäuscht. Sie hätte ihr am liebsten die Tür ins Gesicht geknallt, konnte es aber nicht, weil es wieder gewirkt hätte, als käme sie nicht klar und lieferte Kelly eine Begründung, ihr die Entscheidung aus der Hand genommen zu haben – und diese Genugtuung wollte sie ihr nicht gönnen.
    Als Kelly an der Bürotür stehen blieb, schob Liv ihre Angst beiseite und ließ ihrem Ärger freien Lauf.
    »Darf ich reinkommen?«
    »Klar«, presste Liv zwischen den Zähnen hervor, als Kelly sich in den Besucherstuhl setzte.
    »Ich war bei Toby.«
    »Und?«
    »Ich habe den Job angenommen.«
    Livs Schläfen klopften. »Nun, dann ist ja alles klar.«
    »Es tut mir leid.«
    »Offenbar nicht genug, um mir ein wenig Mitspracherecht einzuräumen. Wann packen wir?«
    »Komm schon, Liv. Es muss ja nicht …«
    »Doch.«
    Kelly sah auf ihre Hände herab. Als sie sie wieder ansah, lag kein Schuldbewusstsein, sondern eher Mitleid in ihrem Blick. Liv sprang auf. »Ich kann jetzt nicht mit dir reden. Sag mir Bescheid, wann du anfängst, damit ich planen kann.«
    »In etwa einem Monat. Toby räumt mir ein wenig mehr Zeit ein, falls ich hier gebraucht werde.«
    »Wie großzügig.«
    »Alles in Ordnung?«
    Nein. Nein. »Ich komme klar.« Sie setzte sich wieder, verschränkte die Hände auf dem Schreibtisch und beendete die Diskussion. »Würdest du bitte die Tür hinter dir schließen, wenn du gehst?«
    Als sie gegangen war, ließ Liv ihren Kopf auf den Tisch sinken. Es gab einiges, was sie tun konnte, Rechnungen anmahnen, Kunden anrufen oder Auftraggeber, die vielleicht bei ihr bleiben würden, wenn sie alles weiterhin in etwas kleinerem Rahmen betrieb, aber dafür hatte sie keine Kraft. Sie war sich nicht sicher, ob das bloße Sitzen auf einem Stuhl und weiterhin Atmen das war, was ihr Vater »auf den Beinen bleiben« genannt hätte. Vielleicht ja, wenn die Alternative hieß, sich auf dem Boden zusammenzurollen.
    Sie hörte, wie die Eingangstür aufging, und das Klingeln der Glocke auf dem Tresen. Kurz darauf rief eine Stimme: »Ist da jemand?«
    Es war Ally von gegenüber, die vom Empfang in Kellys Büro spähte. Als sie Liv sah, hielt sie eine Plastiktüte hoch. »Ich war gerade bei Lenny und habe euch das Mittagessen mitgebracht.«
    Liv ging zu ihr und fragte sich, wo Teagan und Kelly waren.
    »Du siehst schlecht aus«, sagte Ally und reichte ihr die Tüte.
    Liv sah hinein – drei Sandwiches in weißem Papier. Teagan hatte sie wohl heute Morgen für alle drei bestellt. »Die letzte Woche war ein bisschen viel für mich.«
    »Ich habe gehört, dass der Mann gefasst wurde, der dich überfallen hat. Das ist eine gute Neuigkeit. Ich hab in den letzten

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