Ich kann so nicht mehr arbeiten!: Freude und Sinn statt Seeleninfarkt (German Edition)
viel mehr von Angehörigen der eigenen Großfamilie. Marc lief sich mit den Jahren im Räderwerk der Unternehmensmaschine fest. Das Lachen auf seinem Gesicht verschwand mehr und mehr. Sorgenfalten zeigten sich auf seiner Stirn. Sein Körper meldete sich immer regelmäßiger mit Rückenschmerzen.
Marc war inzwischen Ende dreißig, glücklich verheiratet und hatte vier Kinder. Sein sehnlichster Wunsch war in Erfüllung gegangen. Auch beruflich hatte er seinen Weg gemacht. Jedenfalls schien es Außenstehenden so. Er war in der Hierarchie weit oben angekommen, war Mitanteilseigner geworden und finanziell gut ausgestattet. Nur seine Arbeit machte ihm keinen Spaß. Und was niemand ahnte: Ihm und seiner Familie ging es körperlich und seelisch miserabel. Eines seiner Kinder litt nach den zahlreichen Ortswechseln unter Konzentrationsschwäche, und Spezialisten empfahlen ihm, seiner Familie eine ortsfeste Basis zu geben. Deshalb hatte Marc zugestimmt, allein an einen anderen Ort versetzt zu werden, der 230 Kilometer vom Wohnort der Familie entfernt lag. Fortan sah er seine Lieben nur noch an den Wochenenden. Marc übernachtete in einfachen Hotels und pendelte jeden Freitag- und Sonntagabend. Seine Frau war damit überfordert, die vier quirligen Kinder allein zu betreuen. Die Kinder wiederum kamen nicht damit zurecht, dass sie ihren Vater nur noch an den Wochenenden sehen konnten. Gesundheitliche und schulische Probleme häuften sich. Mit alldem musste sich Marc in den wenigen Stunden, die er bei der Familie verbrachte, in geballter Form auseinandersetzen. So kam niemand mehr zur Ruhe.
Marc selbst litt unter Schuldgefühlen und immer heftiger werdenden Rückenschmerzen. Schuldgefühle hatte er sowohl seiner Frau und seinen Kindern gegenüber, als auch gegenüber der Unternehmerfamilie. Die wenigen Stunden an den Wochenenden reichten nicht, um wieder Kraft zu tanken. Die Rückenschmerzen wurden unerträglich. Kein Schritt, keine Bewegung, keine Liegeposition, in der er noch schmerzfrei war. Etwas musste geschehen, aber was? Zunächst versuchte Marc den Kampf in der Außenwelt zu gewinnen. Arztbesuche, Rückenoperation, Krankengymnastik, Fitnesstraining, nichts half wirklich. Ein Rückfall jagte den anderen. Im Unternehmen wurde der Druck auf ihn immer größer. Nicht mehr leistungsfähig genug, der Mann, hieß es. Und familiär ging es weiter bergab.
Schließlich bat er nach Monaten des Leids um ein Jahr Auszeit. Ein Jahr lang wollte er nicht arbeiten, seine Gesundheit wiedererlangen und bei seiner Familie sein. Die anderen Miteigentümer stimmten zu, verlangten jedoch, dass er das Jahr zu Fortbildungsmaßnahmen nutzte. Bitte keine kostbare Zeit mit Nichtstun vertrödeln, hieß es durch die Blume.
Marc tat sich zu Beginn seiner Auszeit einfach nur selbst leid. Er nörgelte am Unternehmen herum und bezweifelte, dass er jemals wieder gesund werden würde. Vor allem aber graute es ihm davor, ins Unternehmen zurückzukehren und auf einer niedrigeren Hierarchiestufe wieder einsteigen zu müssen. Das würde den Eindruck erwecken, als hätte er versagt, und damit konnte er nicht leben. Die Zeit zu Hause bei Frau und Kindern förderte schließlich neue Einsichten zutage. Marc war nicht mehr Marc. Marc war ein Rädchen in der großen Unternehmensmaschine geworden. Er hatte sich eine Zwangsjacke anziehen lassen, in der er seine fröhliche und lebenslustige Art nicht ausleben konnte und seine kreativen Neigungen unterdrücken musste. Instinktiv gespürt hatte er das schon lange, aber er war ja auch abhängig vom großen jährlichen Geldzufluss, der ihm den gewohnten Lebensstil ermöglichte. Marc saß als Gefangener im goldenen Käfig des Familienunternehmens, aus dem es scheinbar kein Entrinnen gab.
Die Angst, auf sich selbst gestellt nicht gut genug zu sein, um seinen Ansprüchen entsprechend genügend viel Geld für seine Familie verdienen zu können, hatte ihn ein Berufsleben akzeptieren lassen, das nicht zu ihm passte und das ihn buchstäblich zur Salzsäule hatte erstarren lassen. Seine Wirbelsäule war ebenso steif, ungelenk und schmerzhaft geworden wie seine Gedanken. Während seiner Auszeit dämmerte ihm, dass auch außerhalb des Familienunternehmens ein Berufsleben auf ihn warten könnte, in dem er Familie, berufliches Talent, Neigungen und Können, Frohnatur und Wohlstand vereinigen konnte. Als diese Idee in seinen Gehirnzellen Gestalt anzunehmen begann, explodierte seine Motivation und die Freude darauf, gesund zu werden.
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