Ich kenne dein Geheimnis
worum es ging: Pelori, De Gubertis und ihr Streit. Sie verstand noch immer nicht.
»Wach auf, Bonelli! Du kapierst es wirklich nicht, was? Dann erklär ich’s dir: Ich werde die Sendung ausstrahlen!« Dabei donnerte
er mit der Faust auf die Schreibtischplatte.
|300| Chiara erblasste. »Das soll wohl ein Witz sein? Sie haben doch gehört, was Edy Micheli gesagt hat! Manganos Anwalt wird uns
verklagen und …«
»Alles Quatsch! Die Werbeeinnahmen werden explodieren, die Sponsoren Schlange stehen. Und wenn er uns verklagen will, bitte
schön. Pressefreiheit, meine Liebe! Wir werden uns den besten Anwalt nehmen, den wir kriegen können!«
Chiara gab ihm den Scheck zurück. »Das kann ich nicht annehmen«, sagte sie unmissverständlich. Aber es war nicht die Sorge
vor der drohenden Klage gegen Telestella, die sie umtrieb. Es war die Angst um sich selbst. Nach diesem verdammten Interview
hatte sich ihr Leben verändert, sie fühlte sich latent bedroht. Ermanno Forte hatte leicht reden, er bekam keine anonymen
Briefe, und es war ja nicht sein Leben, das in Gefahr war.
»Ich verstehe dich nicht, Bonelli.«
»Ich will, ähm, sauber bleiben …«, Chiara fand nicht die richtigen Worte.
»Wie, sauber?«
»Nichts Unmoralisches und Gefährliches tun«, antwortete Chiara. Sie hätte es vielleicht besser ausdrücken können, aber das
war zumindest das, was sie sagen wollte.
»Bonelli, wir sind ein Fernsehsender und kein Wohltätigkeitsverein. Und Moralisten sind wir schon gar nicht. Was die Gefahr
angeht, wir fürchten nichts und niemanden!« Dabei bedachte er sie mit dem gleichen mitleidigen Blick, den er jedem armen Irren
zudachte, der es wagte, ihm zu widersprechen.
Chiara erstarrte. An der Art, wie er auf seiner Zigarre herumkaute, erkannte sie, dass er zumindest für diesen Tag seine gute
Laune verloren hatte.
»Wie du willst. Pech für dich«, polterte Ermanno Forte.
»Chef …«
|301| »Kein Wenn und Aber. Hier wird nicht diskutiert.« Forte nahm den Scheck und zerriss ihn vor ihren Augen.
»Die Sendung wird ausgestrahlt, ob es dir nun passt oder nicht.«
Kopfschüttelnd verließ Chiara das Büro.
»Das ihn heute etwas aus der Bahn werfen konnte … unglaublich!«, wunderte sich Chiaras Kollegin Ilaria. Sie war nicht die
Einzige, die Fortes Wutausbruch gehört hatte. Überall in der Redaktion wurde getuschelt. »Meiner Meinung nach hast du genau
richtig gehandelt. Wenn die Sendung ausgestrahlt wird, ist der Ärger vorprogrammiert.«
Geknickt öffnete Chiara ihre Mailbox. Fünfundachtzig neue E-Mails. Eine Nachricht erregte sofort ihre Aufmerksamkeit, sie
kam von der Agentur Ce.De.Ra . Es war die Einladung zur Rosso-Bianco-Oro-Party. In einem als PDF angehängten Flyer wurde auch über die Neugründung der
Lupo-Sannazzaro-d’Altino-Stiftung informiert.
Chiara warf einen kurzen Blick auf die Gästeliste: Selbst George Clooney und Gwyneth Paltrow hatten ihre Teilnahme zugesagt.
Sie notierte den Termin in ihrem Palm und wollte ihn zur Sicherheit auch noch in ihren Taschenkalender schreiben, doch der
war verschwunden. »In diesem Chaos findet man rein gar nichts.« Während sie die Papierstapel auf dem Schreibtisch durchwühlte,
hielt sie plötzlich inne. Auf einer Illustrierten lag ein gelber Umschlag. Sie spürte, wie ihr Herz zu rasen begann und sie
kaum noch Luft bekam. Sie kannte diese Art Umschlag nur zu gut. Sie öffnete ihn vorsichtig und zog ein Projektil und eine
in großen Druckbuchstaben geschriebene Nachricht heraus.
»DU HÄNGST DOCH SICHER AN DEINEM SCHÖNEN GESICHT? PASS AUF, DASS WIR DIR NICHT DIE FRESSE ZERSCHNEIDEN, BEVOR DU STIRBST.«
|302| Chiara sprang auf, dabei fiel ihr Stuhl krachend zu Boden. Die Kollegen erschraken und drehten sich zu ihr um.
»Chiara, was ist los?« Ilaria war die Erste, die reagierte. »O mein Gott«, sagte sie betroffen, als sie den Brief las.
»Wer hat ihn gebracht?« Chiaras Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
»Mir ist nichts Besonderes aufgefallen, er muss in der normalen Post gewesen sein.«
Mittlerweile waren auch die anderen Kollegen näher gekommen. »Wir müssen die Polizei rufen«, drängte Ilaria.
Chiara nickte. »Das mache ich. Aber sagt Forte noch nichts.«
»Aber Chiara …«
Chiara warf ihr einen vernichtenden Blick zu.
»Ist ja schon gut, dann machen wir es so, wie du willst, oder?« Ilaria blickte hilfesuchend zu den Kollegen. Nach einer hitzigen
Diskussion entschied man sich schließlich für
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