Ich kenne dein Geheimnis
Spannung war mit Händen zu greifen. Der Baron
brach das Schweigen: »Ihr seid wieder am Zug, meine Liebe …«
Die Contessa warf drei weitere Edelsteine auf den grünen Samt: einen Saphir, einen Rubin und einen Smaragd. Ihr Gesicht glühte.
»Meine Herren, ein würdiger Einsatz!« Von Altemburg klatschte in die Hände. »Bedenkt, die höchste Karte gewinnt alles!«
»Nehmt die Maske ab, Baron!« Die Stimme der Contessa zitterte. »Ich will Euch in die Augen sehen, wenn Ihr Euer Hab und Gut
und das Erbe Eurer Kinder und Kindeskinder verliert.«
Von Altemburg zögerte. »Wie recht diese Hure hat«, schoss es ihm durch den Kopf. Alles hatte er verpfändet, sogar sein geliebtes
Schloss in Bayern. Ganz zu schweigen von dem persönlichen Risiko, das er einging: Die Bruderschaft hatte ihm das Geld für
den Kauf der Juwelen geliehen, mit der Maßgabe, den Einsatz mindestens zu verdoppeln. »Schwört auf das Zeichen des Feuers,
von Altemburg«, hatte ihn der Meister aufgefordert, als er ihm das Geld in die Hand gedrückt hatte. Und der Baron hatte geschworen,
die linke Hand an das Brandmal auf der rechten Schulter gepresst, den Blick gesenkt. Dieses Mal jedoch nicht aus Ehrerbietung.
Die Contessa, überrascht vom Zögern ihres Kontrahenten, stichelte weiter: »Ich habe da wohl einen wunden Punkt getroffen,
Monsieur …«
»Nicht im Geringsten, Contessa«, von Altemburg lächelte kühl und lüftete die Maske. In seinen lapislazuliblauen Augen glomm
ein düsteres Feuer. »Ihr habt das Privileg, die erste Karte ziehen zu dürfen.«
Florinda klappte den Fächer mit einem Ruck zu und nahm |42| eine Karte. »Sind Sie bereit,
principe ?«
, wandte sie sich an den Fürsten Napier zu ihrer Linken.
»Aber gewiss,
madama .«
Dann war von Altemburgs Nebenmann an der Reihe. »Marchese Pavan?«
Mit zitternden Fingern griff der Edelmann nach einer Karte. Die Rivalen belauerten sich, die Spannung hatte ihren Höhepunkt
erreicht. Nur von Altemburg hatte noch keine Karte gezogen. Mit sicherer Hand nahm er die letzte Karte auf und legte sie neben
die drei anderen verdeckt auf den Tisch. Er sagte: »Marchese Pavan, Principe Napier, Contessa Pisani, ich werde Euch jetzt
meine Karte zeigen, und Ihr werdet es mir gleichtun.«
Ganz langsam drehten die Spieler ihre Karte um, begleitet vom gepressten Stöhnen der Zuschauer. Als die Contessa die Karten
sah, sank sie ohnmächtig zu Boden.
»Die Arme. Sie ist ruiniert!« Eine Zuschauerin hielt ihr ein Riechfläschchen unter die Nase.
Pavan und von Altemburg sahen sich wortlos an. Wenn sie es sich hätten erlauben können, wären auch sie in Ohnmacht gesunken.
Nur Napiers Augen glänzten ekstatisch. Er bemühte sich allerdings um Zurückhaltung; seinen Triumph ungehemmt auszukosten,
wäre wenig standesgemäß gewesen. Er ließ die Juwelen rasch in seine Tasche gleiten. Herrisch winkte von Altemburg den Diener
heran und ließ sich einen weiteren Kelch Wein servieren, den er in einem Zug leerte.
»Principe, an Eurer Stelle würde ich mich ab jetzt sehr in Acht nehmen, mit Eurem Gewinn könnte man eine ganze Flotte ausrüsten.«
Der Baron griff nach einem weiteren Kelch. Doch um diese Niederlage zu vergessen, würde selbst der gesamte Wein Venedigs nicht
ausreichen.
|43| Im Spielsalon war der Geräuschpegel schlagartig angestiegen. Alle sprachen über Fürst Napiers sagenhaftes Glück. Auf einen
Schlag hatte er ein unermessliches Vermögen gewonnen, das sich in einer Hand transportieren ließ.
»Die Contessa ist immer noch am Boden zerstört, sie scheint sogar die Sprache verloren zu haben«, lästerte
principessa
Marianna Feltrami.
Baronessa
Enrica de Braud entgegnete empört: »Nun, ich möchte Euch in gleicher Lage sehen, meine Liebe.«
»Erlaubt, dass ich mich einmische, meine Damen, aber ich hielte das für keinen großen Verlust. Dann müssten wir uns wenigstens
das törichte Geschwätz der Contessa nicht mehr anhören. Überhaupt, Ihr Frauen …« Der edle Herr Corrier beendete seinen Satz
nicht, denn ein hübscher junger Mann hatte sich zu ihnen gesellt. »Teo, wo warst du nur?« Corrier fuhr sich mit der Zunge
über die Lippen und strich dem Jungen sanft über das glatte Gesicht.
»Sieh an, sieh an.« Baronessa de Braud deutete zum anderen Ende des Saales. »Da kommt der Baron, er hat wohl genug.«
Für einen Augenblick ließ Corrier von seinem jungen Geliebten ab. »Ich glaube nicht, dass er sehr weit kommt. Seht nur, wie
er
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