Ich kenne dein Geheimnis
ihn kunstvoll mit dem Mund zu liebkosen. Sie wusste genau, was sie tun musste, um De Gubertis in den
Wahnsinn zu treiben. Doch trotz ihrer Virtuosität tat sie alles mechanisch, sie empfand nichts dabei. Sie hätte gedanklich
auch bis hundert zählen oder ein Gedicht aufsagen können, doch wenn man ihr ins Gesicht sah, konnte man meinen, sie befände
sich auf dem Gipfel der Erregung.
»So wie du hat es mir noch keine besorgt.« De Gubertis konnte sich nicht mehr beherrschen, er keuchte und winselte. Seine
Hände waren in Smeraldas Haaren vergraben, und er stöhnte: »Ich komme!« Dabei blickte er in den Spiegel. Wer war dieser Mann?
Erst jetzt ließ Smeralda von ihm ab. Für heute hatte sie ihre Pflicht erfüllt. »O Smery, wenn du so weitermachst, krieg ich
bei meinen anderen Geliebten keinen mehr hoch! Du kennst wirklich alle Tricks, besser als jede Professionelle …«, sagte De
Gubertis ironisch und griff nach dem Handtuch, während Smeralda ihren Ekel nur mit Mühe unterdrückte.
»Heute können wir uns leider nicht mehr sehen, Smery.«
»Warum?«
»Abendessen mit Bastelli. Alles Arschlöcher, die Chefs der großen Sender, weißt du das?«
Smeralda gähnte ungeniert. Jetzt, da Lamberto befriedigt war, musste sie keine Rücksicht mehr auf sein männliches Ego nehmen.
»Sie denken nur ans Sparen: beim Casting, beim Drehbuch, |50| bei der Location. Qualität ist ihnen egal. Alles Idioten, verstehst du?«
Smeralda nickte. »Und was ist mit deinem Versprechen, deine Frau zu verlassen? Beichte deiner Ciccina endlich, dass du es
in einem kleinen Mailänder Appartement mit mir treibst, statt ihr vorzumachen, du seist aus geschäftlichen Gründen in Paris.«
Lamberto De Gubertis verzog das Gesicht. Er hasste es, wenn man ihn unter Druck setzte. Und von Smeralda hatte er das auch
nicht erwartet. Sie war für ihn immer anders als die anderen gewesen: anders als die verrückte Brasilianerin, anders als Maria,
der polnische Vulkan, oder als Sofia aus Tschechien. All diese Filmsternchen waren angetreten, den Platz seiner Frau Cicci
einzunehmen. Nichts als Illusionen.
Er überlegte. Wie sollte er reagieren? Wenn er jetzt einen Streit vom Zaun brach, wäre der Tag für ihn gelaufen. Das war es
nicht wert. »Hör zu, Smery«, besänftigend legte er ihr die Hände auf die Schultern, dieses Mal allerdings, um ihr tief in
die Augen sehen zu können. »Ich plane einen neuen Film, einen, der richtig einschlagen wird. Titel: ›Der Ruf des Schicksals‹.
Für dich habe ich eine wunderbare Rolle vorgesehen.« Hatte er sie überzeugen können? Smeralda zwang sich zu einem Lächeln
und sagte gleichgültig: »In Ordnung.«
De Gubertis nahm ihr Gesicht in beide Hände. »Du machst mich verrückt«, murmelte er und küsste sie.
Smeralda spürte seine drängende Zunge. Sie hatte überhaupt keine Lust, seinen Kuss zu erwidern, aber schließlich ging es nur
um ihren Körper, Gefühle spielten keine Rolle. Deshalb schloss sie die Augen und öffnete die Lippen.
Etwas später hatte Smeralda das riesige Bett wieder für sich allein. Das Schlafzimmer war, wie der Rest der Wohnung, ausgesprochen |51| luxuriös eingerichtet. Kostbare Buchara-Teppiche, antike Möbel aus verschiedenen Epochen. Das Wohnzimmer war von einem Innenarchitekten
namens Pinto im minimalistischen Stil ausgestattet worden. Lamberto schwärmte sehr für ihn, Pintos »neue Einfachheit« war
wohl gerade en vogue.
Früher oder später werde ich lernen, mich in diesen Kreisen zu bewegen, dachte sie. Mit eisernem Willen und großer Beharrlichkeit
hatte sie schon jetzt viel erreicht, vor allem war es ihr gelungen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Eine Vergangenheit,
auf die sie weiß Gott nicht stolz war.
Das Fernsehpublikum kannte Smeralda Mangano meist als männermordenden Vamp. Dabei hatte sie für ihren Auftritt in einer TV-Serie
über die Mafia, in der sie die Ehefrau eines Kronzeugen verkörpert hatte, lobende Kritiken bekommen. Gerade ihr sizilianischer
Akzent, den sie sich mühevoll abzugewöhnen versuchte, hatte dabei zu ihrer Glaubwürdigkeit beigetragen.
Da sie an diesem Tag keine Termine hatte, ließ sie es ruhig angehen. Sie klingelte nach dem peruanischen Dienstmädchen, um
sich das Frühstück bringen zu lassen. Dann schaltete sie das Radio an, drehte die Lautstärke herunter und dachte lächelnd
an ihren cleveren Schachzug. Das Letzte, was sie wollte, war, dass Lamberto seine Frau verließ. Auch
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