Ich kenne dein Geheimnis
Gedanken bereits in ihrer Lieblingsboutique. |67| »Ich komme wieder, mein Schatz, und dann lasse ich dich nie mehr allein.« Alessandro Preziosi hielt Miranda Biglieris Hände
und bedeckte sie mit Küssen. Jedes Mal, wenn sie diese Szene aus De Gubertis’ erfolgreichem Historienschinken »Der Inquisitor«
sah, musste Smeralda an ihre eigene Geschichte denken. Es kam ihr vor wie ein schlechter Scherz, denn sie hatte diese Szene
tatsächlich erlebt. Vor vielen Jahren und mit fast genau den gleichen Worten. Im Gegensatz zu Miranda jedoch, die Alessandro
guten Glaubens ziehen ließ, hatte sie sich ihrem Märchenprinzen zu Füßen geworfen und ihn angefleht zu bleiben. »Wenn du gehst,
bringe ich mich um«, hatte sie gedroht.
»Sag so was nicht, Scila. Ich komme bald zurück, und dann werden wir heiraten. Das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist.«
Dann hatte er ihr aufgeholfen, frei nach seiner Devise: »Die Welt muss dir zu Füßen liegen, und nicht umgekehrt.«
Der Film spielte zur Zeit der Hexenverfolgungen. Alessandro Preziosi war ein Inquisitor, der sich in eine Adlige verliebt
hatte, die zu Unrecht als Hexe verdächtigt wurde. Zum Schluss kehrte er zu ihr zurück, ein Happy End, das Smeralda nicht vergönnt
gewesen war.
Sie stellte den DVD-Player ab und tupfte sich die Tränen aus dem Gesicht. Dann rief sie nach Raquel und bat um einen starken
Espresso. Vielleicht würde der Kaffee ihre Melancholie und die schmerzvolle Erinnerung an Lupo Sannazzaro d’Altino vertreiben,
an den »Blauen Baron«, wie die Klatschpresse den Playboy der Florentiner High Society getauft hatte. Er war immer und überall
unterwegs gewesen, an den mondänsten Orten des alten Kontinents. Auf Beutejagd. Manchmal konnte sie sich nicht einmal mehr
an seine Gesichtszüge erinnern, manchmal jedoch, wie heute, sah sie ihn ganz deutlich vor sich. Mittelgroß, blond, sportlich,
mit |68| vorwitzigen Sommersprossen im Gesicht und auf den Händen. Ein bisschen erinnerte er an Lapo Elkann, nur mit etwas längeren
Haaren und Koteletten. Lupo selbst machte immer seine Scherze über diese Ähnlichkeit.
»Lapo ist Lapo, und ich bin Lupo, und ich schnappe mir das Leben.« Als Kind war er in der Chiesa Grinzane Cavour auf den Namen
Wolf getauft worden, was später zum italienischen Lupo wurde. Zusammen mit dem klangvollen Nachnamen seiner Eltern machte
es Eindruck, wenn er sich vorstellte: »Lupo Sannazzaro d’Altino«, mit rollendem r. Eine leichte Verbeugung, ein Handkuss für
die Damen: Dieses Entree hätte bei jedem anderen lächerlich gewirkt, bei ihm nicht. Lupo war ein Charmeur, der geborene Verführer,
raffiniert und unwiderstehlich.
»Dir gehen alle auf den Leim, egal, ob Männer oder Frauen«, hatte Smeralda einmal gesagt. Er war nicht weiter darauf eingegangen,
aber im Grunde hatte sie recht. Er war ein Hasardeur, ein eiskalter Bluffer, besonders beim Glücksspiel, dem Sannazzaro d’Altino
schon in seiner Jugend verfallen war. Bereits mit sechzehn hatte er zu spielen begonnen und nach und nach ein kleines Vermögen
verloren, sogar die bescheidene Erbschaft seines Großvaters Velio. Auch später ließ seine Spielleidenschaft nicht nach, weshalb
sein Vater Rodolfo Sannazzaro ihm den Geldhahn zudrehte. Aber Lupo kannte die richtigen Leute und verstand es meisterhaft,
sich Geld zu beschaffen. Seine Freunde Brenno Sanza, Edoardo Calisi und Pierpaolo Mereu waren immer bereit, ihn finanziell
zu unterstützen, solange ihr Risiko mit echter Leidenschaft belohnt wurde, sei es beim Spiel, beim Sex oder durch Drogen.
Den Teil der Geschichte, der nun folgte, kannte Smeralda nur zu gut. Lupo hatte es sehr bedauert, nicht rechtzeitig erkannt
zu haben, wie viel Kummer er seiner Mutter mit seinem |69| Lebenswandel bereitet hatte. Jedes Mal, wenn er von ihr gesprochen hatte, hatte Smeralda sich unbehaglich gefühlt. Aus Bewunderung,
aber auch aus Eifersucht gegenüber einer starken Frau, die nach dem Tod ihres Mannes einen Sohn erziehen und eine Firma führen
musste, ohne fremde Hilfe. Doch bereits nach kurzer Zeit hatte sie das Unternehmen zum Erfolg geführt und Medici-d’Altino-Weine
sogar in die USA exportiert.
Smeralda fragte sich, was Lupo wohl gesagt hätte, wenn er zusammen mit ihr die Pressenotiz gelesen hätte, dass Vivy Sannazzaro
vor kurzem vom italienischen Staatspräsidenten zum
Cavaliere del Lavoro
, »Ritter der Arbeit«, ernannt worden war.
Im Salon der Suite des Mondello
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