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Ich kenne dein Geheimnis

Titel: Ich kenne dein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Wimpern nutzten nichts, sie wurde dieses beklemmende Gefühl einfach nicht los. Und auch eine Stippvisite
     bei Amandas exklusiver Boutique würde ihr keinen Frieden bringen. Heute Morgen brauchte sie stärkeren Trost, Trost, den man
     mit Geld nicht kaufen konnte. Sie nahm ihr »Allerheiligstes« vom Nachttisch, ein Bittgebet an ihre Schutzpatronin, die heilige
     Eustochia von Messina. Das Gebet stammte von Don Giuseppe, dem Pfarrer ihres Heimatdorfs Mongiuffi. Als sie die heiligen Worte
     in Händen hielt, musste sie an ihre Mutter Concetta denken. »Ich wollte dich Maria Catena nennen und
basta
, doch Don Giuseppe sagte mir, dass die heilige Eustochia dich immer beschützen und dein Glück wachsen würde, genau wie die
     Haare und die Nägel deiner Schutzpatronin, die auf wundersame Weise immer wieder nachwachsen und jedes Jahr geschnitten werden
     müssen.«
    |65| So sagte es die Legende. Wenige Jahre später hatte sie im Religionsunterricht die wahre Geschichte gelernt: Smeralda Calafato
     wurde am 25. März 1434 geboren und starb am 20. Januar 1491. Um vor ihren aufdringlichen Freiern zu flüchten, fasste sie den
     Entschluss, Nonne zu werden. Im Kloster hatte sie den Namen Eustochia angenommen, nach einer Schülerin des heiligen Girolamo.
     Smeralda erinnerte sich noch genau an den 11. Juni 1988, als Papst Johannes Paul II. ihre Schutzpatronin heiliggesprochen
     hatte. Da war sie gerade elf, aber schon so groß wie heute, eine wahre Riesin unter ihren Klassenkameradinnen. Außerdem war
     sie spindeldürr. Ihre Mitschülerinnen zogen sie damit auf und nannten sie »Zahnstocher«. Smeralda versuchte die Sticheleien
     zu ignorieren. Sie schämte sich zuzugeben, dass es zu Hause zu wenig zu essen gab. »Du armes Kind, bringst Opfer, genau wie
     Eustochia«, sagte Don Giuseppe immer und strich ihr über den Kopf. Wann immer es möglich war, brachte er ihr etwas zu essen
     mit: einmal einen in Öl getunkten Kanten Brot, ein anderes Mal eine Scheibe Bruschetta. Er sorgte für sie, solange er konnte,
     die Ärmsten seiner Gemeinde ließ er nicht im Stich. Doch dann war er gestorben, und Smeralda hatte die Kirche nicht mehr betreten.
    Aber trotz Armut und Elend erblühte sie zu einer Schönheit, mit feinen Gesichtszügen und makellosem Körper. Die Hänseleien
     der Kindheit verwandelten sich in Bewunderung und Begehren. Sie liebte es, durch die Straßen zu schlendern und die Blicke
     der Männer auf sich zu ziehen, nicht ahnend, dass gerade dieses Glück ihr einmal so viel Leid bringen würde.
    Smeralda duschte rasch, dann schlüpfte sie in das tiefdekolletierte neue Dolce&Gabbana-Kleid. Sie betrachtete sich
     von allen Seiten im dreiflügeligen Schlafzimmerspiegel. Das Kleid |66| war sensationell. Sie hatte es für das Weinevent das Jahres, die exklusive »Rosso-Bianco-Oro«-Party gekauft, das in der Luxusvilla
     von Viveca Sannazzaro stattfinden würde, einer Winzerin mit internationalem Renommee, deren Name in einem Atemzug mit Frescobaldi
     genannt wurde.
    Die Einladungen für die handverlesenen Gäste waren in goldenen Lettern geprägt, auf dem Briefumschlag prangte ein ebenfalls
     goldgeprägter Traubenhenkel. »Kauf das aufregendste Kleid, das du finden kannst. Ich will, dass du die Allerschönste bist«,
     hatte De Gubertis gesagt und sie hinters Ohr geküsst. Dann hatte er ihr einen Blankoscheck überreicht, und Smeralda war schnurstracks
     zu Amanda gestürmt. Jetzt kamen ihr jedoch Zweifel. War das Kleid für den Anlass nicht doch etwas zu gewagt? Der Alptraum
     hatte ein tiefes Schamgefühl in ihr geweckt, sie wollte nicht, dass die Männer sie mit Blicken auszogen.
    »Die zahlt man wohl pro Kilo Oberweite, was?«, hatte sie einen Manager von Medialight während einer Party nach dem Drehschluss
     des De-Guberti-Films »Bäume ohne Wurzeln« sagen hören. Der Satz hatte sie verletzt, obwohl sie Aussagen wie diese üblicherweise
     nicht aus der Ruhe brachten.
    Sie zog das Kleid wieder aus, hängte es sorgsam in den Schrank und entschied sich für ein blauviolettes Blumarine-Kleid und
     schwarze Designer-Schuhe. Dann bürstete sie ihre schwarzen Haare und legte ein dezentes Make-up auf. Auf ihre Haare war sie
     besonders stolz. »Ich bin wie Samson. Meine Haare sind das Geheimnis meiner unbezwingbaren Stärke«, kokettierte sie immer
     bei ihren Liebhabern. Sie überprüfte den Inhalt ihrer schwarzen Chanel-Krokoledertasche, zog den ecrufarbenen Louis-Vuitton-Mantel
     über und verließ eilig das Haus, in

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