Ich kenne dein Geheimnis
und waren
von unmenschlichen Schmerzen begleitet. Eufrasia hatte sich im Nebenzimmer ein Kissen auf die Ohren gepresst, damit sie die
Schreie nicht hören musste.
»Warum schreist du nicht?« Der Baron riss ihr das Kissen weg. Donna Eufrasia, die ihn nicht hatte kommen hören, fing an zu
schreien, nicht weniger laut als Meluzza. Erst als ihre Dienerin Tina ins Zimmer trat, verstummte sie wieder. Nur Tina, Anita
und der Arzt kannten die Wahrheit. Um sich ihr Schweigen zu erkaufen, hatte d’Altino tief in die Tasche gegriffen. »Es ist
geschafft, Barone. Es sind Zwillinge, ein Junge und ein Mädchen«, verkündete Tina, während aus dem Nebenzimmer das Wimmern
zweier Säuglinge zu hören war.
»Beeil dich und bringt den Jungen zu meiner Frau«, befahl der Baron. Unterdessen waren im Palazzo Hochrufe der Dienerschaft
zu hören:
»Congratulazioni ,
Barone! Die herzlichsten Glückwünsche!« D’Altino zuckte wütend zusammen, als er das hörte. »Sie sollen schweigen!«
Tina verschwand mit einem Knicks. Einen Augenblick später kehrte sie mit einem kreischenden Bündel im Arm ins Zimmer zurück.
Als Donna Eufrasia das Neugeborene sah, brach sie in Tränen aus.
»Los, her damit!« Der Baron riss der Dienerin den Jungen |175| aus den Händen und drückte ihn seiner Frau an die Brust. Dann wandte er sich an Tina. »Du bleibst bei der Baronessa, bis ich
wiederkomme.«
Meluzza lag auf den blutbefleckten Laken und weinte, dabei drückte sie das neugeborene Mädchen an ihre Brust. »Mein Kind,
gebt mir mein Kind zurück!«, schluchzte sie verzweifelt, während Anita versuchte, ihr den Schweiß von der Stirn zu tupfen.
Der Baron stürmte ins Zimmer, schob Anita auf den Flur und schlug die Tür zu. Dann ging er auf Meluzza zu, die inzwischen
zu weinen aufgehört hatte und ihn verängstigt anstarrte. Etwas in seinen Augen hatte sie verstummen lassen. So fest sie konnte,
umklammerte sie ihr Kind. Aber d’Altino hatte bereits das Schwert gezogen und reckte es hoch in die Luft. Meluzza schrie gellend
auf, ein einziger Schrei, bevor die Klinge ihre Brust durchbohrte. Mit irrem Blick hob d’Altino erneut das Schwert und stieß
es, ohne zu zögern, ins Herz des kleinen Mädchens.
Als er zu seiner Frau zurückkehrte, war sein Gesicht ausdruckslos. »Ich möchte mit Donna Eufrasia allein sein und diesen Moment
des Glücks in aller Ruhe genießen«, sagte er und schickte Tina aus dem Zimmer, »Meluzza ist bei der Geburt gestorben, auch
ihre Tochter hat nicht überlebt. Das Schicksal wollte es so«, fügte er in feierlichem Ton hinzu und nahm den Jungen in den
Arm. »Ihr erlaubt, meine Liebe?«
Donna Eufrasia nickte resigniert, zu schwach, um Widerstand zu leisten. Auch die Nachricht vom Tod Meluzzas und ihrer neugeborenen
Tochter nahm sie gar nicht wahr.
»Das ist Lupo d’Altino, mein Sohn und mein Erbe«, sagte |176| der Baron mit Tränen in den Augen. Dabei hob er den Jungen, der vom Schreien rot angelaufen war, hoch in die Luft.
Mailand, 2009
Es war wunderschön gewesen. Erschöpft, aber glücklich, räkelte sich Amanda auf dem schwarzen Seidenlaken und legte ihren Kopf
auf die muskulöse, glattrasierte Brust ihres Geliebten.
»Mist, jedes Mal lasse ich die Wasserflasche im Wohnzimmer stehen. Ich gehe sie holen. Willst du auch etwas?«, fragte Franco
Spargi und stand auf. Amanda betrachtete seinen durchtrainierten Körper. Selbst bei Kerzenlicht brauchte es nicht viel Phantasie,
um zu erkennen, wie attraktiv er war. Der erotischste Mann …
»Also, was willst du?« Spargi unterbrach brüsk ihre Träumerei.
»Ich bin wunschlos glücklich«, hauchte Amanda und sah ihm nach. Schade, dass er kein Benehmen hatte. Die schwarze Seide hatte
sie zur Versöhnung aufgezogen, keine schlechte Idee. Die Inszenierung sollte Spargis Phantasie anregen, auch wenn er es bestimmt
nicht bemerkt hatte. Er war eben ein einfacher Mann, wie er immer wieder betonte. Sie hatte sich große Mühe gegeben, damit
er ein wenig gesellschaftlichen Schliff bekam, doch ohne großen Erfolg. Während sie auf Francos Rückkehr wartete, zündete
sie eine weitere Kerze auf dem Nachttisch an.
»Mit diesen schwarzen Laken sieht das Zimmer aus wie ein Puff«, Spargi stellte die Flasche ab und glitt wieder unter die Decke.
Er zog sie an sich und spielte mit ihren Haaren, er wusste, was sie wollte.
»Warum schaust du mich so an?«, schnurrte Amanda.
|177| »Du bist wie besessen von diesem Schwarz.
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