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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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wäre ich nicht fähig, damit aufzuhören. Dunkel. Die Bäume nichts weiter als schwarze Umrisse vor einem schwarzen Himmel. Keine Sterne. Auf dem halben Weg zum Parkplatz wandte ich mich um, aber das Taxi war bereits weg. Nichts. Es war so still. Nichts, um mich abzulenken, also ging ich im Geiste die Auseinandersetzung durch, die ich mal wieder mit Barbara gehabt hatte – dachte an Donald – lief heulend weiter, dachte an Chloe und an Wilson – und riss mich schließlich zusammen, bevor ich in den Wald ging.
    Ich sah Carls Wagen erst, als ich schon daran vorbeigegangen war. Er stand am äußersten Ende des Parkplatzes, eingebettet unter überhängenden Baumkronen – zwei Reifen auf der Straßenböschung. In der dunkelsten Ecke, wohin die Lichter von der Hauptstraße nicht reichten. Wenigstens half mir meine aufsteigende Wut, warm zu bleiben. Ich machte auf dem Absatz kehrt, marschierte hinüber und schlug mit den Fäusten gegen die Scheiben. Ich stellte mir vor, dass sie im Wagen waren und sich gegenseitig befummelten unter Carls schmutziger Arbeitsjacke.
    Dogging .
    In dem Auto rührte sich nichts. Ich beugte mich dicht heran und wölbte die Hände um die Augen. Leer. Und nichts auf dem Rücksitz außer einer Rolle Plastiksäcke und Chloes Schultasche. Kein Müll im Fußraum. Ich überlegte, mit einem großen Stein zu versuchen, den Wagen aufzubrechen. Ich nahm einen aus der Böschung – spürte sein leichtes Gewicht in meiner Handfläche – , der größte, den ich finden konnte, und trotzdem nicht größer als ein Ei. Ich könnte die Scheibe einschlagen. Keine Schlüssel, also keine Möglichkeit, den Wagen wegzufahren, selbst wenn ich fahren könnte, aber das Geräusch wäre eine Genugtuung, und ich sah mich selbst drinnen sitzen, zusammengekauert unter der karierten Decke, bis sie zurückkehrten.
    »Hallo Chloe, hallo Carl«, würde ich sagen. Mit genau der richtigen Betonung. Sie würden verstohlen schauen und ein bisschen verschämt. Ich würde die Oberhand haben. Trotzdem, ich konnte nicht sagen, wie lange es dauern würde, bis sie zurückkamen.
    Zurück von wo? Was machten sie gerade?
    Ich ließ den Stein fallen und folgte einer Furche im Boden – eher eine Spur als ein Pfad – , die zwischen die Bäume führte. Ich hatte so viel geweint in den letzten Tagen, dass die Kälte an meinen geschwollenen Augenrändern beinahe wohltuend war. Meine Finger waren taub. Ich bewegte mich leise vorwärts und folgte der Spur, die sich um Baumwurzeln schlängelte, während ich versuchte, möglichst nicht auf Zweige zu treten. Ich konnte fast nichts sehen.
    Es wäre einfach gewesen, umzukehren und ein anderes Taxi anzuhalten, aber kaum hatte ich den Parkplatz verlassen, spürte ich, dass meine Möglichkeiten schwanden. Alles, was ich tun konnte, war, Wilsons Weg in die Dunkelheit zu folgen. Zum Wasser. Tiefer in den Wald hinein in einem Bogen, um den Weiher herum bis zu der Stelle, wo Wilson beschlossen hatte, das Eislaufen auszuprobieren, nachdem ich ihm erzählt hatte, wie viel Spaß das machte.
    Ich wäre beinahe in sie hineingelaufen. Wäre ich tatsächlich, wenn Chloe nicht plötzlich laut gewürgt hätte, woraufhin Carl sie anzischte, still zu sein. Kaum hörbare Geräusche, aber ich erkannte sie und blieb stehen. Schweres Atmen und wieder ein leises Würgen. Ich dachte, er zwinge sie gerade zu einem Blowjob. In einer Nacht wie dieser? Ich spähte durch die Dunkelheit und die Bäume, ohne etwas zu erkennen, abgesehen von dem blassen bewegten Schimmern ihrer Jacke mit dem Plüschkragen. Ich verhielt mich ganz still, an einen Baum gelehnt, hinter dem ich mich versteckte, und spitzte die Ohren.
    »Weiter«, sagte Carl, nicht im Flüsterton, aber sehr leise. Seine Stimme klang seltsam, und mir wurde bewusst, dass das seine normale Stimme war, die ich gerade hörte – nicht die, mit der er sonst mit Chloe und mir redete, die langsamer war, leiernd, pseudotief und lächerlich.
    »Ich kann nicht. Es ist schwer. Meine Hände tun weh.«
    »Hör auf rumzujammern, du dumme kleine Schlampe. Mach schon.«
    Sie waren beide außer Atem.
    »Ich kann nicht schneller«, flüsterte Chloe – und obwohl sie sehr leise redete, wusste ich, dass sie geweint hatte und kurz davor war, wieder in Tränen auszubrechen.
    Ich lauschte, schnaufend, aber ich atmete ganz flach, damit sie mein Keuchen nicht hörten. Neben meinem Fuß lag eine zerdrückte Coladose – das Loch oben war verstopft mit Blättern, und das Rot und das Silber auf

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